Archiv für den Monat: August 2007

“Sie alle haben eine Reife als Staatsbürger gezeigt, die mir Hoffnung macht.”

Hier der erste persönliche Bericht über die Botschaftsvorführung und die Einschüchterungen durch die Polizei. Er wurde uns von Hermann S. zugesendet, der vor Ort war und mit seiner Ruhe und Besonnenheit sehr wichtig für mich war. Wir werden noch mehr persönliche Eindrücke online stellen sobald sie da sind. Weiterlesen

Protest gegen Vorführung bei der nigerianischen Botschaft geht weiter

Vom 7. bis 9. August findet in München wieder eine Botschaftsvorführung statt. Diesmal ist die nigerianische Botschaft vor Ort. Bei diesen Terminen werden abgelehnte AsylbewerberInnen gezwungen, bei einer Delegation der Botschaft ihres (oft auch nur vermuteten) Heimatlandes vorzusprechen, um als Bürger desselben identifiziert zu werden. Im Falle einer Identifikation wird dann ein so genanntes Travel Certificate (TC) ausgestellt, mit dem eine Abschiebung erst möglich wird. Botschaftsvorführungen und Papierbeschaffung sind also zentrale Vorgehensweisen der Abschiebebehörden. Die Karawane München hat sich schon seit Jahren gegen diese Termine eingesetzt, zuletzt im April gegen ein Termin mit der Delegation der irakischen Botschaft. Meistens, wie auch heute, finden diese Termine im Flüchtlingslager in der Tischlerstraße statt. Die nigerianische Delegation hält sich die ganze Woche in München auf, und deswegen rufen wir auch weiterhin zu Protest auf. Konkret sind angemeldet

Kundgebungen gegen die Botschaftstermine mit der Nigerianischen Botschaft
Donnerstag, 9. August 2007
Flüchtlingslager in der Tischlerstraße (U-Bahn Fürstenried West)
9.oo bis 14.oo Uhr

Flüchtlingslager in der Tischlerstraße
Flüchtlingslager in der Tischlerstraße

Heute waren schon etwa 15 Menschen trotz Regen vor Ort, um ihrer Protest kundzutun und ankommenden Flüchtlingen den Hintergrund zu erklären. Die Polizei war mit rund 30 Beamten vor Ort und versuchte wiederrum (wie auch im April), Kontakt zu Flüchtlingen zu erschweren. Insbesondere stellten sie sich bei jedem Gespräch dazu und hörten mit, was wir als klare Einschüchterungstaktik einschätzen. Das penetrante und andauernde Abfilmen aller VersammlungsteilnehmerInnen wurde diesmal unterlassen, wir gehen davon aus, dass dies im Zusammenhang mit unserer Beschwerde beim bayerischen Datenschutzbeauftragten steht.

Bei der Abschiebeanhörung nigerianischer Flüchtlinge die vom 7. bis 10. August in München stattfindet, wird sich die Korruption im Herkunftsland zu nutze gemacht. Für jedes „Interview zur Identitätsklärung von Flüchtlingen“, welches nigerianische Botschaftsvertreter durchführen, erhalten sie 250 Euro von der Bundespolizei. Weitere 250 Euro Erfolgsprämie bekommen die Vertreter des korruptesten Landes in Afrika, wenn ein „Emergency Travel Certificate“ ausgestellt wird, das eine sofortige Abschiebung abgelehnter Asylbewerber ermöglicht. 2005 weigerte sich Nigeria noch, durch Anhörungen an Abschiebungen mitzuwirken. Nachdem das Kopfgeld von 130 Euro auf 250 Euro erhöht wurde, finden sie nun wieder statt.

Ob, wie es oft behauptet wird, es für Flüchtlinge eine Straftat darstellt, bei einem solchen Termin sich nicht einzufinden, bezweifeln wir. Nach einem Urteil des OLG Celle steht davon nämlich schlichtweg kein Wort im Gesetz. Wir fahren trotzdem eine zweigleisige Strategie und wollen auch weiter Druck auf die nigerianische Botschaft aufbauen, sich aus diesem schmutzigen Geschäft zurückzuziehen.

Call to Action! Against the Collaboration of the Nigerian Embassy with the German Authorities

Collaboration of the Nigerian Embassy in the deportation of Nigerians from Germany

As we, the Caravan for the Rights of Refugees and Migrants, Munich, have recently learned, the Nigerian Embassy is coming to Munich, Germany, in order to issue ‚travel certificates‘ (TC) for Nigerians living in Munich to the end of their deportation from Germany. The Bavarian Foreigners‘ Authorities have sent letters summoning Nigerians to attend this hearing with the Nigerian Embassy taking place on Wednesday, the 8th of August in the Munich refugee camp in Tischlerstrasse, and the hearings may well span over several days. The Nigerians summoned are being told that they have to attend in order to have their identity clarified, which means that if they are identified as being a Nigerian citizen, they will be issued a TC which in turn will allow the German authorities to deport them to Nigeria.

We strongly protest this decision of the Nigerian Embassy to neglect their duty to look after the welfare of their citizens abroad and rather collaborate with the German Authorities in order to tear Nigerians living in Bavaria out of their lives here and help to put them, forcefully, on a plane bound to Nigeria. This is not the first time that the Nigerian Embassy has come to Munich Tischlerstrasse. When they held these hearings in 2004, we observed a large number of deportations of Nigerians afterwards. We also want to state plainly that with this decision, the Embassy is assuming responsibility for the inhuman and degrading practice of deportation, a practice that already has lead to numerous deaths. It is not long ago that the Nigerian citizen Osamuyia Aikpitanhi was killed by Spanish officers while being deported from Spain in June 2007. The list of persons killed during a deportation is however much longer.

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proudly presents: re/visionen

Wir freuen uns, nach langer Wartezeit ein Buch ankündigen zu können, zu dem auch die Karawane München einen Artikel beitragen konnte:

re/visionen - das Buch

Kien Nghi Ha, Nicola Lauré al-Samarai, Sheila Mysorekar (Hg.)
re/visionen
Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland
ISBN-13: 978-3-89771-458-8
Ausstattung: br., 456 Seiten
Preis: 24.00 Euro
http://www.unrast-verlag.de/…, Buchflyer

Die Entstehungsgeschichte unseres Artikels ist selber schon interessant, denn die Auflage der HerausgeberInnen, ausschließlich „people of color“ als AutorInnen zu gewinnen, ist nicht ganz die Linie, die wir als Karawane vertreten. Unser Ansatz ist es ja, unabhängig von Herkunft und Nationalität zusammenzuarbeiten, sozusagen nach dem Motto „es zählt nicht, wo du herkommst, sondern ob du mit uns zusammenarbeiten willst“. Das könnte als post-identitär beschrieben werden, bei uns ist es wohl einfach pragmatisch: bei uns engagieren sich viele Nicht-„people of color“, und die gemeinsame Arbeit ist, meiner Meinung nach, was wir an der Karawane am meisten geniessen, und die uns auch erst unsere Schlagkraft gibt. Der andere Ansatz, sich also exklusiv zu versammeln, hat meiner Meinung nach auch seine Berechtigung (vgl. beispielsweise hier). Es ist eben nicht immer so einfach. Die Leute von Kanak Attak beispielsweise haben sich gleich grundsätzlich geweigert, an dem Buch mitzuwirken, da (so geht es aus dem letzten Artikel im Buch hervor) der Ausschluß von Menschen europäischer Herkunft kritisiert wurde. Kein so leicht von der Hand zu weisender Punkt.

Ich denke nicht, dass es eine unwichtige Diskussion ist, die da geführt wird, aber die Karawane hat es mal wieder pragmatisch gesehen, das Projekt an und für sich für wichtig befunden und die Chance gerne genutzt, etwas beizutragen. Um den HerausgeberInnen gerecht zu werden, haben wir beschlossen, möglichst viele FlüchtlingsaktivistInnen der Karawane zu bitten, einen Beitrag über ihre Zeit in der Karawane zu verfassen, sei es schriftlich oder mündlich und haben diese Beiträge dann in den Artikel synthetisiert. Er ist dadurch etwas holprig, aber nur so reflektiert er die Dynamik und Unfestlegbarkeit der Karawane München. Der Artikel handelt von der Situation von Flüchtlingen in Deutschland, der Anfangszeit der Karawane, Aktionen zu gegen Abschiebungen und für ein Bleiberecht, dem Boykott von Botschaftsvorführungen, Widerstand in Lagern, dem Essenspaketeboykott und Überlegungen zu Selbstorganisierungsprozesse durch die Karawane. Wir bieten eine kleine Leseprobe am Ende des Artikels.

Wir vertreiben das Buch zur Zeit nicht selber. Wer sich das Buch bestellen will, der sei auf die Buchhandlung unserer Wahl, die Basis Buchhandlung im Univiertel in München hingewiesen. Eine kurze Email, schon ist das Buch bestellt und kann bald abgeholt werden. Das ist fast so einfach wie bei amazon, unterstützt aber einen kleinen Laden, der uns immer mit einem hochaktuellen und interessanten Sortiment beglückt.

Es folgt nun unsere Leseprobe zum Thema „Abschiebung und Bleiberecht“ und nachfolgend ein Artikel des Mitherausgebers Kien Nghi Ha, der noch etwas mehr zum Buch sagt.

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