Menschlichkeit müsse der zentrale Maßstab der Politik sein, forderte Kurt Beck, der Vorsitzende der SPD gerade auf einer Konferenz zum neuen Grundsatzprogramm der Partei. Ob das in Zukunft auch für die Ausländer- und Flüchtlingspolitik gelten wird? Zweifel sind angebracht, denn immer wenn es um diesen Bereich geht, scheinen die Politiker die europäischen Werte zu vergessen, die ansonsten so gerne beschworen werden: Toleranz, Humanität und Brüderlichkeit.
Bekenntnisse sind schön, die politische Realität ist etwas anderes. Tatsächlich sterben jeden Tag Menschen bei dem Versuch nach Europa zu gelangen und dennoch entsteht in den Europäern offensichtlich kein Mitgefühl, sondern nur der Wunsch, dieses Elend möglicht weit von sich entfernt zu halten. Da werden an den Grenzen der spanischen Enklaven in Nordafrika gewaltige Mauern errichtet, streng bewacht – und wenn Menschen an dieser Außengrenze Europas erschossen werden, dann geht kein Aufschrei durch den Kontinent.
Nein, stattdessen wird viel Geld investiert, um die Zäune zu erhöhen und die Grenzen strenger zu bewachen. Immer mehr Schiffe und Flugzeuge überwachen das Meer vor den Küsten, versuchen die Flüchtlinge schon vor dem Erreichen des rettenden Ufers abzufangen, um sie dann gleich wieder abschieben zu können. Dass alle diese Zwangsmassnahmen nur dazu führen, die Flüchtlinge in die Arme professioneller Schlepper zu treiben, sie zu riskanteren und weiteren Wegen in winzigen Booten über das Meer zu zwingen, das weiß eigentlich jeder, aber der Ausbau der Festung Europa wird eifrig fortgesetzt. Täglich ertrinken Flüchtlinge zwischen Afrika und der Südküste Europas. Ein Massensterben. Und alles was Europa dazu einfällt, ist sich abzuwenden und Flüchtlingslager in nordafrikanischen Staaten zu fordern; in Staaten, die ansonsten wegen ihrer alltäglichen Verletzung der Menschenrechte angeklagt werden.
Menschlichkeit ist kein Wert, der eine Rolle spielt, wenn es um Flüchtlinge geht. In Deutschland werden alljährlich die immer weiter gesunkenen Zahlen neuer Asylgesuche als politischer Erfolg gefeiert, im vergangenen Jahr waren es nur noch 21.000. Die Anerkennungsquoten als politisch Verfolgte, sprich Asylberechtigte, liegen unter ein Prozent. Seit vielen Jahren leben in Deutschland Migranten, die mit einem Asylantrag starteten, sich aber immer noch im hoffnungslosen Zustand der Duldung befinden. Kettenduldung wird diese Perfidie im Amtsdeutsch genannt.
Duldung, das bedeutet nichts anderes als Aussetzung der Abschiebung. 180.000 Menschen leben unter uns, die ausreisepflichtig sind, keinen Aufenthaltstitel haben. Ein inhumaner Status, der ihnen eine Integration in unsere Gesellschaft verwehrt, sie systematisch ausgrenzt, ihnen jede Zukunftsperspektive zerstört. Das ist nicht tolerant, das ist nicht human und schon gar nicht brüderlich.
Jetzt sollte einem viel zu kleinen Teil der Geduldeten ein Bleiberecht gewährt werden. Ein winziges Pflaster auf einer großen Wunde mitten in unserer Gesellschaft. Aber schon wird zurückgerudert. Der künftige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein stellte kürzlich öffentlich klar, sein Bundesland werde den Minimal-Kompromiss nicht mitragen. Deutlich formulierte er, dieses Thema habe entscheidende Bedeutung dafür, ob die CSU in Bayern bei den nächsten Wahlen wieder die absolute Mehrheit bekomme. Und er kündigte an, auch nach Stoiber würde n Bayern nicht die neue Milde einziehen – was wohl von ihm auch keiner erwartet hatte.
Die Fraktionen des Bundestags diskutieren und es wird immer deutlicher, dass es in Richtung weiterer Verschärfungen gehen wird. Nur wenige Geduldete sollen ein Bleiberecht erhalten, die anderen rigoros abgeschoben werden. Zudem wird es im Ausländerrecht neue, schärfere Vorschriften geben. Keine Spur von Toleranz, Humanität oder Brüderlichkeit.
Es sieht in mehrfacher Hinsicht so aus, dass wir die Zugewanderten brauchen, auch um uns daran zu erinnern, dass die Würde des Menschen (und nicht nur mancher mit den richtigen Papieren) unantastbar und ein echter europäischer Wert ist!
Ein Fünftel der der Bevölkerung in Deutschland hat bereits heute einen Migrationshintergrund. Wir sollten den Politikern gemeinsam zeigen, dass diese Minderheit gemeinsam über Mehrheiten entscheiden kann!
Lu Mumba