Eindrücke von der Veranstaltung „Wir sind alle Oury Jalloh – Schluss mit Polizeibrutalität!“ am 16. 3. 2007 im Eine Welt Haus München mit Mouctar Bah/Dessau.
Rund 25 Personen waren am Freitag, 16. 3. ins Münchner EineWeltHaus zu der Veranstaltung mit Mouctar Bah von der „Initiative im Gedenken an Oury Jalloh“ gekommen. Aktueller Anlass der Veranstaltung war, dass ab 27. März, also gut zwei Jahre nach dem Feuertod des sierra-leonischen Flüchtlings in einer Dessauer Polizeizelle, endlich ein Gerichtsverfahren in Dessau gegen zwei der verantwortlichen Polizeibeamten beginnt — ein Verfahren, das gewiss nicht ohne den öffentlichen Druck von FreundInnen und Angehörigen Oury Jallohs und von AktivistInnen aus der afrikanischen Community und der antirassistischen Linken zustande gekommen wäre.
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Audiomitschnitt des Vortrags von Mouctar Bah.
So galt denn bei der Diskussion im Anschluss an den aufwühlenden Dokumentarfilm „Tod in der Zelle“ das Interesse der Anwesenden vor allem den Details des Gerichtsverfahrens und der Ermittlungen. Dabei bestätigte sich mehr und mehr der Eindruck, dass der Umgang der Polizei und der Dessauer Justiz mit dem grausamen Tod Oury Jallohs bis heute vom Versuch des Totschweigens und Vertuschens geprägt ist. So drängte sich zum Beispiel die Frage auf, warum das unabhängige medizinische Gutachten aus Frankfurt, in dem am Leichnam Oury Jallohs ein Nasenbeinbruch nachgewiesen wurde, bislang nicht in die Ermittlungen einbezogen wurde — gerade weil dies stark darauf hindeutet, dass Oury Jalloh kurz vor seinem Tod Schläge und Misshandlungen erlitten hat. Oder warum bislang lediglich gegen zwei Polizeibeamte wegen „fahrlässiger Tötung durch Unterlassung“ ermittelt wird, warum keinerlei Ermittlungen in Richtung Mord stattgefunden haben und die Staatsanwaltschaft nach wie vor unbenommen davon ausgeht, Oury Jalloh habe mit einem Feuerzeug selbst das Feuer verursacht, obwohl der zuständige Polizeibeamte beteuert, er habe ihn vorschriftsgemäß durchsucht und dabei kein Feuerzeug gefunden. Dieser Polizist steht ab 27. März, neben dem damaligen Diestgruppenleiter, vor Gericht. Für den Fall, dass er von dem Vorwurf freigesprochen wird, er habe Oury Jalloh nicht ordnungsgemäß durchsucht, ist es in der Tat schwer vorstellbar, wie sich die ohnehin fragwürdige Behauptung, Oury Jalloh habe in der Zelle ein Feuerzeug dabeigehabt, gegenüber der Öffentlichkeit noch glaubhaft aufrechterhalten lässt.
Für die Anwesenden war auch klar, dass der Tod von Oury Jalloh als extremes Beispiel syptomatisch ist für den Umgang der deutschen Polizei mit afrikanischen Flüchtlingen — ein Umgang, der von einem Klima der Verachtung, der Gewalt, des Rassismus geprägt ist. Mehrere Besucher der Veranstaltung können selbst Geschichten erzählen, wo sie von Polizeibeamten wegen ihrer Hautfarbe und ihres prekären Aufenthaltsstatus kontrolliert, quälend lange festgehalten, auf die Wache verbracht, körperlich misshandelt oder durch Razzien im Flüchtlingslager terrorisiert wurden. Und genau solche Zustände, in denen Menschen aus rassistischen Gründen systematisch ihrer Rechte und ihrer Würde beraubt werden, sind es, die es letztlich möglich machen, dass ein Mensch, an Händen und Füßen gefesselt, im Keller eines Polizeirevieres irgendwo in Deutschland grauenvoll verbrennt.
Darum ist für uns der Tod von Oury Jalloh eine Herausforderung, dass wir der Trauer und der Wut Taten folgen lassen, dass wir rassistische Diskriminierungen und rassistische Polizeigewalt nicht tatenlos hinnehmen.
Die erste Runde des Prozesses anlässlich des Todes von Oury Jalloh findet vom Dienstag, 27. 3. bis Freitag, 30. 3., in Dessau statt. Auch aus München und Augsburg wird eine Delegation zum Prozesstag am 30. März nach Dessau fahren. Abfahrt aus München: Donnerstag Abends, 29. 3. Interessierte können sich melden unter: caravane-munich@zeromail.org