Der Menschenrechtskommissar zum Lager in der Rosenheimer Str.

Die Karawane München wendet sich schon lange gegen die unhaltbaren Zustände, die in den Flüchtlingslagern, genannt Gemeinschaftsunterkünfte, herrschen. Nach dem Bayerischen Aufnahmegesetz sind Flüchtlinge verpflichtet, in einer solche Gemeinschaftsunterkunft zu leben, selbst wenn sie sich eine Privatwohnung leisten könnten. Schlimmer noch: wer arbeitet, muss eine horrende Miete zahlen: rund 250 Euro für eine Zimmer von 13 m², in dem bis zu vier Menschen untergebracht sind.

Letztes Jahr stattete nun der Menschenrechtskommissar des Europarats Deutschland einen Besuch ab. Dabei besuchte er auch das Flüchtlingslager in der Rosenheimer Str. in München. In seinem Bericht kam er zu folgenden Schlüssen:

Der Kommissar hat im Freistaat Bayern eine Gemeinschaftsunterkunft in der Rosenheimer Straße in München besucht. Die Unterkunft bestand aus zwei für etwa 290 Personen ausgelegten Doppeletagen-Containern, die ursprünglich 1992 für einen Automobilclub in unmittelbarer Nähe einer Autobahn gebaut wurden. Die Räume in den Containern waren 12,92 Quadratmeter groß und beherbergten jeweils zwei bis vier Asylbewerber. Während des Besuchs waren in dem Zentrum 189 Personen untergebracht. Die Gemeinschaftsküchen, -toiletten und –duschen lagen an einem Ende des Hauptkorridors. Es gab einen kleinen Spielplatz auf dem Gelände gleich neben der Straße. In der Unterkunft lebten Alleinstehende, Familien und unbegleitet eingereiste Minderjährige zwischen 16 und 18 Jahren. Die Unterkunft wurde von regionalen Sozialbehörden betreut, und eine NRO kümmerte sich um die besondere Betreuung und spezifische Aktivitäten für die unbegleitet eingereisten Minderjährigen. Die Bewohner erhielten zweimal wöchentlich Nahrungsmittelpakete und zweimal jährlich Kleidung, und es wurden Gutscheine für den Besuch von Gesundheitseinrichtungen für die Behandlung akuter Erkrankungen verteilt.

Nach Dafürhalten des Kommissars ist der Langzeitaufenthalt von Asylsuchenden in wohnheimähnlichen Gemeinschaftsunterkünften in Mehrbettzimmern deren Wohlbefinden abträglich. Erfolgt zudem die Verteilung von Nahrung und Kleidung in Form von Naturalien, womit die persönliche Auswahl eingeschränkt wird, so ist die Achtung der Privatsphäre der Asylbewerber in Frage gestellt. Der Kommissar fordert die deutschen Behörden auf, nach alternativen Möglichkeiten für die Unterbringung von Asylsuchenden nach ihrem anfänglichen Aufenthalt in den Erstanlaufstellen zu suchen. Für Familien sollen getrennte Räume zur Verfügung gestellt werden. Für die Bereitstellung von Nahrung und Kleidung sind Gutscheine oder Bargeldzuwendungen die vorzuziehende Option. Der Kommissar ist der festen Überzeugung, dass die Aufnahmebedingungen nicht zur Institutionalisierung und Marginalisierung von Asylbewerbern führen dürfen. Stattdessen soll Asylsuchenden die Möglichkeit gegeben werden, während des Prozesses ein wesentliches Maß an persönlicher Autonomie zu behalten.

Der Kommissar ist auch besorgt darüber, dass der obligatorische Aufenthalt von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften und die strengen Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit, wenn diese über Jahre andauern, möglicherweise nicht in vollem Umfang den einschlägigen Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprechen (vor allem Artikel 8 und Artikel 2 des Protokolls Nr. 4). Entsprechend ersucht der Kommissar die deutschen Behörden um die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit derartiger Einschränkungen. Darüber hinaus fordert der Kommissar alle Bundesländer auf, die Schulpflicht für die Kinder von Asylbewerbern gleichberechtigt mit anderen Schülern verbindlich zu machen.

Bezüglich der Bereitstellung der medizinischen Versorgung für die Asylsuchenden empfiehlt der Kommissar, dass den Asylbewerbern der Zugang zu einer umfassenden medizinischen Versorgung bereits zu einem früheren Zeitpunkt gewährt wird. Es wird darauf hingewiesen, dass die EU-Richtlinie 2003/9/EG des Rates (Artikel 15) fordert, dass die EU-Mitgliedstaaten Sorge dafür tragen, dass alle Asylbewerber die medizinische Versorgung für die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten erhalten.

Schließlich ist sich der Kommissar bewusst, dass die Lebensbedingungen in den deutschen Gemeinschaftsunterkünften je nach Bundesland und Unterkunft innerhalb eines Bundeslandes schwanken können. Da der Kommissar lediglich eine Gemeinschaftsunterkunft besichtigt hat, kann er die Qualität der Gemeinschaftsunterkünfte im Allgemeinen nicht beurteilen. Der Kommissar ist jedoch der Auffassung, dass die in der Gemeinschaftsunterkunft in der Rosenheimer Straße in München angetroffenen Lebensbedingungen kaum zufrieden stellend sind. Es ist fraglich, ob die von Hauptverkehrsstraßen umgebenen, baufälligen Container, die eine beengte Unterbringung in Mehrbettzimmern auf verschiedenen Etagen für Alleinstehende, Familien und unbegleitet eingereiste Minderjährige bieten, im Sinne der EU-Richtlinie 2003/9/EG61 des Rates als Gemeinschaftsunterkunft geeignet ist, die einen angemessenen Lebensstandard sicherstellt. Der Kommissar empfiehlt, dass die deutschen Behörden Leitlinien über Mindeststandards für die Unterbringung von Asylbewerbern erarbeiten, um sicherzustellen, dass allen Asylsuchenden ein adäquater Lebensstandard geboten wird.

Der Menschenrechtskommissar fordert daher:

  • abgelehnten Asylbewerbern und insbesondere Familien mit Kindern, die über mehrere Jahre im Besitz einer Kettenduldung waren, Aufenthaltserlaubnisse gewähren;
  • Asylsuchende zwischen 16 und 18 Jahren als Minderjährige behandeln und die deutsche Erklärung zur Kinderrechtskonvention zurückziehen;
  • Asylbewerbern ab dem Beginn des Antragsverfahrens kostenlos Rechtshilfe zur Verfügung stellen;
  • Alternativmöglichkeiten für die Unterbringung von Asylbewerbern nach ihrem anfänglichen Aufenthalt in den Erstanlaufstellen unter Achtung der Privatsphäre von Asylsuchenden prüfen und sie in die Lage versetzen, ein hohes Maß an persönlicher Autonomie zu behalten;
  • die Verhältnismäßigkeit der Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Asylbewerbern, insbesondere in Fällen langjähriger Antragsteller, überprüfen;
  • die medizinische Versorgung für die Grundbehandlung von Krankheit für alle Asylbewerber zur Verfügung stellen;
  • Leitlinien über Mindeststandards für die Unterbringung von Asylbewerbern erarbeiten, um sicherzustellen, dass allen Asylsuchenden ein adäquater Lebensstandard geboten wird;

Diesen Forderungen können wir uns als Mindestforderungen nur anschliessen.