Vor ca. zweieinhalb Jahren veranstaltete die Karawane eine Kundgebung vor dem Flüchtlingslager in der Tischlerstraße. Hiermit sollte gegen die Botschaftsvorführung (angeblicher) irakischer Staatsangehöriger protestiert werden. Eine irakische Delegation war hierzu eigens angereist, um dem Wunsch der deutschen Behörden nach Passersatzpapieren nachzukommen, damit Abschiebungen in den nach wie vor vom Bürgerkrieg gekennzeichneten Irak möglich werden. Die kleine Kundgebung der Karawane, an der max. sechs Personen teilnahmen, wurde massiv von Beamten des USK bedrängt und vom Dach eines VW-Busses abgefilmt. Daraufhin stellten wir eine Anfrage an den Landesbeauftragten für Datenschutz. Nach über zwei Jahren findet dieser Vorfall nun auch Eingang in seinen aktuellen Jahresbericht: Die Polizei behauptete zunächst, überhaupt keine Videoaufzeichnungen angefertigt zu haben. Eine Behauptung, die zweifelsfrei widerlegt werden konnte.
4.13.3. Auskunft der Polizei über Videoaufzeichnungen von Versammlungsteilnehmern
Ein Petent hat mir mitgeteilt, dass zwei Polizeibeamte eine angemeldete Versammlung von maximal sechs Teilnehmern vom Dach eines VW-Busses mit einer Videokamera durchgehend gefilmt hätten. Versammlungsteilnehmern, die sich kurzzeitig von der Versammlung entfernt hätten, sei gezielt „hinterher gefilmt“ worden. Der Bürger hat mich um datenschutzrechtliche Überprüfung gebeten.
Daraufhin habe ich das zuständige Polizeipräsidium zu diesem Sachverhalt um Stellungnahme und um Zusendung vorhandener Filme in Kopie gebeten. Das Polizeipräsidium hat mir geantwortet, dass der Versammlungsverlauf nicht „erforderte…, dass diese Beamten von der Versammlung Videoaufzeichnungen fertigten“. Die Beamten hätten das Objektiv „immer von der Versammlung weg gerichtet“.
Im Zusammenhang mit besagter Versammlung berichtete die Süddeutsche Zeitung (vgl. Ausgabe vom 29./30.03.2008, Seite 54), dass vom Polizeipräsidium im Zusammenhang mit der Versammlung die Durchsuchung von „Aktivisten“ und die Beschlagnahme von Flugblättern gefilmt worden seien. Dies sei dem Landesbeauftragten für den Datenschutz nicht mitgeteilt worden. Er „habe ja nur wissen wollen, ob man die Versammlung gefilmt habe“.
Daraufhin habe ich mich erneut an das Polizeipräsidium gewandt. Es hat mir in seiner Antwort mitgeteilt, es sei auf Grund des geschilderten Sachverhalts davon ausgegangen, dass lediglich zielgerichtete Videoaufnahmen der betreffenden Versammlung geprüft werden sollten. Es sei nicht davon ausgegangen, dass andere Geschehnisse, die „zwar in räumlicher und zeitlicher Nähe zu, jedoch außerhalb des … geschilderten Sachverhalts … [stattgefunden haben]“, von der Fragestellung umfasst waren. Weder Versammlung noch Versammlungsteilnehmer seien personenbezogen gefilmt worden. Es seien vielmehr polizeiliche Maßnahmen gegen zwei Beschuldigte aufgezeichnet worden. Die beiden hätten zum Aufnahmezeitpunkt nicht an der Versammlung teilgenommen. Dies hätten sie den Polizeibeamten auch erklärt.
Die Differenzierung des Polizeipräsidiums bezüglich meiner Anfrage danach, ob eine Person gerade zum Aufnahmezeitpunkt versammlungsrechtlich an der Versammlung „teilgenommen“ hat oder nicht, halte ich für nicht nachvollziehbar. Aus Sicht eines objektiven Empfängers konnte meine erste Anfrage an das Polizeipräsidium nur so verstanden werden, dass ich alle im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Versammlung gefertigten Videoaufzeichnungen datenschutzrechtlich beurteilen wollte. Ob die abgebildeten Personen dabei „Versammlungsteilnehmer“ im Rechtssinne waren, war in diesem Zusammenhang deshalb nicht relevant. Ich hatte mich erkennbar auf einen bestimmten Lebenssachverhalt bezogen, ohne die Beantwortung meiner Anfrage von der Klärung versammlungsrechtlicher Statusfragen abhängig zu machen.
Die ursprüngliche Antwort des Polizeipräsidiums auf meine Anfrage ist deshalb unvollständig. Zumindest hätte es im Interesse meiner unfassenden datenschutzrechtlichen Prüfungsmöglichkeit auf die Existenz der Videoaufzeichnungen hinweisen müssen. Mit der unvollständigen Beantwortung meiner Anfrage hat es gegen die gesetzliche Pflicht, den Landesbeauftragten für den Datenschutz in der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen, verstoßen. Diesen Verstoß habe ich förmlich beanstandet.
Quelle: http://www.datenschutz-bayern.de
Tja, da musste sich die Polizei dann doch was einfallen lassen. Woran lag´s? Zwei Teilnehmer erhielten während der Kundgebung eine Anzeige wegen angeblicher „Aufforderung zu Straftaten“. Die angebliche Straftat war das Verteilen eines Flugblattes, in dem stand, dass die Botschaftvorführung letztendlich der Abschiebung diene und sich die Betroffen daher sehr genau überlegen sollten, ob sie zur Kooperation bereit sind. Im übrigen ein lächerlicher Vorwurf, wie das OLG Celle schon damals fest gestellt hatte. Der Hinweis auf dieses Urteil (das wir sogar ausgedruckt dabei hatten) interessierte die anwesenden USKler allerdings nicht die Bohne und sie belästigten die Kundgebung weiterhin in einer Art und Weise, wie ich sie selbst in Bayern selten erlebt habe. In der Ermittlungsakte zu diesem Vorwurf fand sich nun ein Verweis darauf, dass die Polizei während der Kundgebung insgesamt 37 Minuten gefilmt hatte. Nur zu blöd, dass die Herren aus der Ettstraße vorher bereits dem Datenschutzbeauftragten mitgeteilt hatten, dass „während der von Ihnen erwähnten Versammlung am 21.04.2007 keine Videoaufzeichnungen gefertigt wurden“. Dumm gelaufen, was also tun?
Das Polizeipräsidium München zog sich nun auf die Aussage zurück (wie oben nach zu lesen), dass man die Kundgebung an sich ja gar nicht gefilmt habe und die Kamera sogar „immer von der Versammlung weg gerichtet [habe]“. Eine dreiste Lüge, wie unten stehende Bilder belegen. Auch wenn die Sache mittlerweile über zwei Jahre her ist, ist es immer noch ein Skandal, dass die bayerische Polizei nur genau das zugegeben hat, was nicht mehr zu leugnen war. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die gesamte Kundgebung in rechtswidriger Art und Weise die ganze Zeit über gefilmt wurde. Ein Vorwurf, den wir nicht zweifelsfrei belegen können, allerdings deuten die wiederholten, nachweisbaren Lügen des Polizeipräsidiums München stark in diese Richtung. Im Übrigen bleibt anzumerken, dass sich der Datenschutzbeauftragte mit dem Vorhalt, dass ihm bisher nur ein Teil der Wahrheit zugänglich gemacht wurde, nicht weiter beschäftigten wollte. Die Erstellung eines Gutachtens, dass klären hätte können, ob das von der Polizei zur Verfügung gestellte Videomaterial nachträglich geschnitten wurde, lehnte er ab. Denn „Anhaltspunkte dafür, dass das Polizeipräsidium München nicht das vollständige Videomaterial übersandt hat, habe ich nicht“. Das sehen wir anders..