Sicherheitskonferenz in München – und ich merke, wie ich auf der großen Kundgebung am Marienplatz durch die Reihen der Demonstranten gehe, in die Gesichter schaue und nach Ilse suche. Es schmerzt, als ich mir bewusst werde, dass ich nach ihr spähe. Sie fehlt. Die Lücke, die sie hinterlassen hatten, ist deutlich spürbar. Als sie im November überraschend starb, war ich – wie wir alle – geschockt. Aber wie sehr sie fehlt, wird mir erst nach und nach klar. Ilse war eine unermüdliche Kämpferin, immer im Hintergrund, immer da, kontinuierlich und total verlässlich.
Kurz nach ihrem Tod sah ich für unsere Traueranzeige meine gesammelten Fotos von der Karawane durch und stellte erstaunt fest, wie selten sie auf den Bildern zu sehen war. Meist stand sie in der zweiten Reihe, hielt ein Spruch-Plakat oder Transparent hoch, teilte Essen aus, diskutierte mit Passanten. Bei Kundgebungen ans Mikro zu gehen, der Welt ihre Überzeugungen durch eine Verstärkeranlage zu verkünden, das war nicht Ilses Ansatz. Stattdessen war ihr politischer Weg ganz und gar persönlich, geprägt von ihren eigenen Lebenserfahrungen. Rassismus und soziale Ungerechtigkeit waren für sie schlicht unerträglich. Sich gegen Unmenschlichkeit zu engagieren, war für sie selbstverständlich.
Sie fehlt mir ständig – und in manchen Augenblicken ganz besonders. Als der Kellner in der Weltwirtschaft (wo wir nach den Karawane-Treffen immer noch zusammen sitzen) im Dezember ein kleines Bier (Ilses Standardgetränk) auf den Tisch in unsere Mitte stellte und meinte, wir sollten es auf ihr Wohl trinken, da hatte ich einen fetten Kloß im Hals. Bei der Vorbereitung der letzten Solidaritäts-Partys fehlte ihr Rat und Tat sehr spürbar, bei jedem Karawane-Treffen ihre Präsenz. Ganz persönlich fehlt mir auch ihre Kritik, die nie abwertend war und sehr oft den Kern der Dinge traf. Und nach dem Mord an Benazir Bhutto, fehlte mir das politische Gespräch mit ihr sehr – sie hat lange in Pakistan gelebt und mir viele Zusammenhänge erklärt – ich hätte gerne ihre Einschätzung zu den Hintergründen und den Konsequenzen des Attentats gehört. Jetzt am Wochenende die öffentlichen Proteste gegen die Siko ohne Ilse – ganz merkwürdig, dass sie nicht mehr dabei sein kann. Sie fehlt. Ilse, ich vermisse Dich!