100 Tage und kein Bleiberecht!

100 Tage und kein Bleiberecht — Aufruf auf Deutsch

Anlässlich des bundesweiten Aktionstag „100 Tage und kein Bleiberecht“ finden auch in München Aktionen statt.

23. Februar 2007
13.oo Uhr, Aktion vor der SPD – Zentrale, Oberanger 38
15.oo Uhr, Aktion vor der CSU – Zentrale, U1 Mailingerstraße

24. Februar 2007
15.oo Uhr Stachus: Demo mit Microphone Mafia (Hiphop aus Köln)

Aufruf auf Deutsch, Englisch und Französisch, sowie eine Hörprobe von Microphone Mafia

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Das Recht, das für die zweihunderttausend Ausländer gilt, die seit Jahren als „Geduldete“; in Deutschland leben, ist ein einziges Desaster, es ist ein Recht das Unglück schafft, ein Recht das Menschen verzweifeln lässt.
(Süddeutsche Zeitung, 16.11.2006, Seite 4)

Seit Jahren versprechen PolitikerInnen, den unmenschlichen Zustand der Kettenduldungen für Flüchtlinge abzuschaffen. Letzter Versuch war das Bleiberecht von 2006, doch 100 Tage später ist klar: es war nur ein einmaliger Gnadenakt. Der Angstzustand „Duldung“ bleibt für den Großteil bestehen. Lageralltag, Abschiebungen, Arbeitsverbote und die Verletzung der Würde von Flüchtligen gibt es weiterhin.

Im März wird der Bundestag zwar beim Bleiberecht nachbessern, aber gleichzeitig das Aufenthaltgesetz weiter verschärfen, was neue Geduldete und noch mehr Illegalisierte zur Folge haben wird. Daher gehen am 24. Februar unter dem Motto „100 Tage und kein Bleiberecht“ in ganz Deutschland Menschen auf die Straße und fordern vom Bundestag: Schafft die Duldung ab! Wir wollen das ganze Bleiberecht!

Ein erster Schritt ist getan Nachdem im November 2006 in Nürnberg 2500 Menschen für das Bleiberecht protestierten, sahen sich die Innenminister gezwungen, auf die jahrelange Kampagne für ein Bleiberecht zu reagieren: Sie haben entschieden, dass einige wenige Geduldete bleiben dürfen (etwa 10-15 % der 192.000 Geduldeten). Die anderen werden ausgeschlossen, weil sie nicht lange genug in Deutschland sind, weil sie nicht an ihrer Abschiebung mitgearbeitet haben oder ein paar mal schwarz gefahren sind. Und nicht zuletzt bleiben mit den Illegalisierten 500.000 bis 1.000.000 Menschen, die ohne jegliche Rechte in Deutschland leben, von einer Bleiberechtsperspektive ausgeschlossen.

Die Bundestagsentscheidung 2007 Die Koalition wird ein neues Aufenthaltsgesetz verabschieden und ein gesetzliches Bleiberecht beschließen. Es gibt zwar Verbesserungen, doch das größte Problem des bisherigen Bleiberechts bleibt bestehen: Nur wer an einem bestimmten Stichtag schon 8 bzw. 6 Jahre hier ist, kommt überhaupt in Frage. Für alle Anderen gibt es keine Perspektive, auch wenn sie dann irgendwann 8 Jahre hier sind. Das Bleiberecht bleibt damit ein einmaliger Gnadenakt, der das Problem nur vertagt. Vor allem ist jedoch zu befürchten, dass das gesetzliche Bleiberecht mit extrem harten Verschärfungen beim Familiennachzug und bei der Verlängerung einer schon erteilten Aufenthalterlaubnis „bezahlt“ werden muss. Das Gesetz wird damit wieder neue Geduldete und Illegalisierte zur Folge haben, statt endlich eine vernünftige Lösung zu suchen.

Noch mehr Abschiebungen? Gleichzeitig mit dem Bleiberecht kündigten die Innenminister an, noch mehr abschieben zu wollen. Auf geduldete Flüchtlinge wird zunehmend Druck ausgeübt, damit sie „freiwillig ausreisen“: durch Einweisung in Abschiebelager, Arbeitsverbote, Entzug von Sozialleistungen, Aufenthaltsbeschränkungen oder die Kriminalisierung wegen „mangelnder Mitwirkung“. In Kollaboration mit diktatorischen Regimes, wie z.B. den Regierungen von Togo und Äthiopien, werden Menschen mit Sammelcharterflügen brutal verschleppt und an ihre Verfolger ausgeliefert.

Nicht mit uns! MigrantInnen, Flüchtlinge und ihre UnterstützerInnen schaffen es immer wieder, Abschiebungen aktiv zu verhindern. Sei es durch individuelle Widerspenstigkeit, öffentlichen Druck oder direkte Aktionen an Flughäfen. All diese jahrelangen Widerstandserfahrungen müssen wir gerade jetzt zusammenbringen, damit die Rechnung der Innenminister und Bürokraten, die durch Abschiebungen die Auseinandersetzung um das Bleiberecht in ihrem Sinne entscheiden wollen, nicht aufgeht!

Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen. (Johann Wolfgang von Goethe)

Wir wollen ein Bleiberecht für alle Geduldeten und Illegalisierten erreichen. Als Schritte auf dem Weg dorthin fordern wir von einem neuen Bleiberecht:

  • Statt einem einmaligen „Gnadenerlass“ mit Stichtagsregelung muss es einen dauerhaft verankerten Rechtsanspruch auf Bleiberecht geben, der auch später Eingereisten ein „Hineinwachsen“ in ein Aufenthaltsrecht ermöglicht.
  • Geldstrafen, mangelnde Mitwirkung an der eigenen Abschiebung oder mangelnde Sprachkenntnisse dürfen niemanden vom Bleiberecht ausschließen. Ein Arbeitsnachweis darf keine Bedingung für ein Bleiberecht sein.
  • Für alle Kinder und Jugendlichen und ihre Familien, Kranke, Alte und traumatisierte Menschen muss es ein Bleiberecht geben.
  • Alle seit dem 23.06.2005 – seit dem ersten Appell zur Innenministerkonferenz in Stuttgart – abgeschobenen Menschen, die unter die Neuregelung fallen, müssen zurückkehren dürfen.
  • Eine Bleiberechtsregelung im Bundestag darf nicht mit anderen ausländerrechtlichen Verschärfungen erkauft werden!
  • Schluss mit Abschiebungen!