Rostock, der lange Zaun und eine Pause

Tja, lange nichts mehr erschienen im Karawane-Blog. Das liegt daran, dass wie alle irgendwie enorm mit dem Protest gegen den G8-Gipfel im Hohen Norden beschäftigt waren. Viele sind nach Rostock gefahren, andere (wie ich) zwar in München geblieben – aber das ist die Fraktion, die anderweitig beschäftigt war und trotzdem versucht hat, soviel wie möglich davon mitzubekommen, was zwischen dem gigantischen Zaun, der Sicherheitszone, den Camps und dem Rostocker Hafen passierte.

Die Karawane-Tour endete von 2. bis 4. Juni in Rostock und Heiligendamm, um Widerstand gegen den gegen den G8-Gipfel zu artikulieren und den Internationalen Aktionstag für globale Bewegungsfreiheit am 4.6. zu gestalten. Dazu kamen Diskussion und Reflexion sowie Aktionen zur Flucht beim Anti-G8-Camp: “Für globale Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte”. Darüber werden andere berichten, die dabei waren.

Ich bekam die ganzen Aktionen hauptsächlich durch die Medien und viele Telefonkontakte mit. Und bedauerte mich dafür, nicht dabei zu sein. Mit vielen anderen Globalisierungskritikern inmitten von Karawane-Aktivisten aus ganz Deutschland vorne weg durch Rostock zu marschieren, das hätte mir eine Menge Spaß gemacht. Sowas gibt immer Kraft für die zähen Stunden, die in unserer Arbeit früher oder später wieder dabei sind, das kleinteilige Ringen und die fiesen Niederlagen – der zähe Frust.
Und fast noch lieber wäre ich am Montag dabei gewesen beim Aktionstag für globale Bewegungsfreiheit oder danach bei den langen Spaziergängen durch die Felder, die Hand-Taktik, das große Vordringen in Richtung dieses gigantischen Zauns und die Blockade-Aktionen. Am ersten Blockade-Tag telefonierte ich mehrfach mit einem Karawanisten, der gut gelaunt mit den vielen anderen Tausenden durch die mit Mohnblumen durchsetzten Getreidefelder lief und ich hielt ihn von der „Münchner Zentrale“ aus über die Berichterstattung der Medien (vor allem NDR) und den Live-Ticker auf indymedia auf dem Laufenden, wo die anderen Blockaden stattfanden und wo geräumt worden war (ein Hoch auf’s Internet!).

Ach ja und die Randale, die „Straßenschlachten“ des „Schwarzen Blocks“ (dress for the moment). Hat mich aus der Ferne höllisch geärgert, dass die Steinwerfer und Autoanzünder alle Medienaufmerksamkeit bekamen und ich nirgends Bilder von der Karawane sah. Mich beschlichen zunehmend verschwörungstheoretische Ideen, nur allzugut passten diese Aktionen in die Strategie der Rechtfertigung des völlig überdimensionierten Sicherheitsaufwands, und der Diskreditierung der Globalisierungskritiker – und das gleich zum Auftakt, noch bevor die mächtigen Sieben zusammen mit dem bundesdeutschen Schneewittchen überhaupt angereist waren (die Enttarnung eines ganz in Schwarz und mit Kapuzenshirt kostümierten, eingeschleusten Zivilpolizisten nährte dann meine Fantasien noch zusätzlich) . Statt Fotos und Fernsehbilder des Demozugs mit Karawane ganz vorne, zeigten mir die Medien wie in einem Endlos-Loop immer die gleichen Bilder von schwarz Vermummten, die den Gehweg aufhackten, um an Pflastersteine als Wurfgeschosse zu kommen, brennenden Autos und anrückenden Wasserwerfer. Statt Argumenten der Globalisierungskritiker sendeten alle Nachrichtensender endlos Statements von Polizeisprechern und Sicherheitspolitikern, und Abgrenzungsversuche der Attac-Vertreter. Und prompt entschied dann auch das Bundesverfassungsgericht angesichts der manifesten Gewaltbilder gegen den Sternmarsch. Tja, voller Erfolg für die Sicherheitsfanatiker, Überwachungsfreaks und Repressionsparolenschwinger. Echt übel.
Vergangenen Donnerstag bekam ich den ersten Direktbericht von zwei Karawanisten, die am 2. Juni bei der Großdemo dabei waren und natürlich sind die Bilder, die sie in ihren Köpfen mit nach München gebracht und mir gezeigt haben, ganz andere. Es wird noch viel zu erzählen geben.