Was viele von uns schon vermutet haben, hat sich diese Woche bestätigt. Der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) kommt aus der Naziszene: Stephan Ernst. Er ist rechter Gewalttäter seit den 1990ern: er beging eine homofeindlich-rassistische Messerattacke 1992. Er verübte einen Bombenanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft 1993. Mit einem Nazi-Mob griff er 2009 eine 1. Mai-Demonstration von Gewerkschaften an. Ernst war in der NPD, spendete an die AfD, hatte Kontakte zu rechtsterroristischen Netzwerken wie Combat 18, hortete Waffen in seiner Wohnung. Er hat eine einschlägige rechte Organisierungs- und Gewaltbiografie. Weil Walter Lübcke humanitäre Grundwerte im Umgang mit Geflüchteten verteidigte, war er seit Jahren Ziel von massiver rechter Hetze und Morddrohungen. Am 2. Juni 2019 wurde Lübcke auf der Terrasse seines Wohnhauses mit einem Kopfschuss getötet – eine Hinrichtung ähnlich den Morden des NSU.
Es ist kein Jahr her, da waren wir alle unter dem Motto „Kein Schlussstrich“ auf der Straße. Unsere Forderung ist: Die Aufklärung über und der Kampf gegen rassistische, neonazistische und rechtsterroristische Strukturen darf nicht enden. Denn auch nach dem NSU ging der rechte und rassistische Terror weiter. Während einige wenige Nazis zu mehr oder weniger langen Strafen verurteilt wurden, wurden die Strukturen, die den NSU unterstützten und seine Morde ermöglichten, bis heute nicht angeklagt. Seit Jahren fliegen immer wieder rechte Gruppen auf, die Waffen und Munition sammeln und Todeslisten politischer Gegner_innen anlegen. Der Mord an Lübcke muss vor dem Hintergrund terroristischer Strategiedebatten nach dem NSU in der Naziszene verstanden werden. Während die tagtägliche Gewalt gegen Geflüchtete und migrantisch gelesene Menschen andauert, verschiebt sich der strategische Fokus auf das politische Establishment, das den vermeintlichen „Volkstod“ vorbereitet. Es geht nun verstärkt um die Jagd auf den politischen Feind, auf vermeintliche oder reale Unterstützer_innen von Geflüchteten, auf Antirassist_innen und Antifaschist_innen.
Alle beteiligten sich an der jahrelangen Kampagne gegen Lübcke: von Akif Pirinçci und Pegida über Erika Steinbach (bis vor kurzem noch Lübckes Parteifreundin in der CDU), NPD, III. Weg, Die Rechte, Kommentarspaltenmob auf PI-News und – nicht zu vergessen – die AfD, an deren thüringischen Landesverband Ernst gespendet haben soll. Sie alle tragen ihre Verantwortung für den Mord. Mit Lübcke hat es nicht wesentlich den politischen Beamten der konservativen Regierungspartei getroffen. Lübcke wurde ermordet, weil er von Nazis zum Symbol für das gemacht wurde, was sie hassen: einen solidarischen Umgang mit Geflüchteten, eine solidarische Gesellschaft, den offenen Widerspruch gegen rechte Hetze.
Erneut zeigt sich: Der Staat hat den rechten Terror nicht gestoppt. Als zentrale Lösung zur Bekämpfung rechten Terrors wurde der Stellenausbau beim Verfassungsschutz propagiert. Aber nicht erst seit den Verwicklungen des Verfassungsschutzes in den NSU-Komplex ist bekannt, dass dieser rechte Strukturen ausbaut und schützt. Der VS ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Der Ausbau des VS, die Verschärfung der Polizeigesetze und die rassistische Asylgesetzgebung sind autoritäre Antworten des Staates in Zeiten des Rechtsrucks. Wir werden uns nie auf diesen Staat verlassen. Rechten Terror bekämpfen! Antifaschistischen Widerstand aufbauen!
Der Mord an Lübcke trifft uns alle – und soll uns alle treffen. Wir sind in Gedanken bei seiner Familie, seinen Angehörigen und Freund_innen. Gemeinsam stellen wir uns der rechten Hetze und seinen unmittelbaren mörderischen Konsequenzen entgegen.
Wir fordern:
- Die Aufklärung des Mordes an Walter Lübcke!
- Die Ausleuchtung des Täters, möglicher Mittäter_innen und seines Umfelds!
- Die Benennung der Tat als rechten Terror!
- Rechtsruck und autoritären Staatsumbau stoppen!
- Verfassungsschutz abschaffen!
- Rassistischen Normalzustand beenden!
- Rechtsterroristische Strukturen zerschlagen!
Demonstration: Samstag 22.6.19 – Stiglmaierplatz – 14 Uhr