Rede von Ilsemarie von der Karawane auf einem Straßenfest in München am 2. Juni ’07
Ich bin von der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen und soll euch erzählen, warum Vertreter verschiedener Flüchtlingsorganisationen wie z.B. die Karawane bei der Demo gegen den G8 Gipfel an der Spitze des Westteils der Demo marschieren.
Bei den 8 Mächtigen des G8 Gipfels soll angeblich u.a. der Fokus auf die mangelnde ökonomische Entwicklung der afrikanischen Ländern gerichtet werden und darauf, wie man dieses Problem auch ökologisch in den Griff bekommt. Selbst wenn man die Entwicklungshilfe erhöhen und die Verschuldung der ärmsten Länder abbauen würde, was natürlich wichtig ist, wären damit noch lange nicht die eigentlichen Probleme gelöst, da sie am Kern der Situation vorbei gehen. Deshalb lautet auch das Motto der Flüchtlingsorganisationen
„Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“.
Etliche von den Flüchtlingen, die an der Demo in Rostock und anderen Veranstaltungen des Gegengipfels teilnehmen, kommen aus afrikanischen Ländern. Sie werden aus eigener Erfahrung berichten, wie ihre Länder, besonders solche, die viele Bodenschätze haben, wie Öl, Bauxit, Coltan, Diamanten u.s.w., von den wirtschaftlichen Vertretern der westlichen Industrienationen und inzwischen auch von China ausgebeutet werden. So sind bis heute die reichen Bodenschätze eines afrikanischen Landes eher ein Fluch als ein Segen.
Ein Flüchtling wird die Situation in Nigeria und besonders aus seiner Heimat dem Niger-Delta schildern, wo die größten Erdölvorkommen des Landes sind. Er wird berichten, wie die transnationalen Ölkonzerne mit Hilfe der nigerianischen Regierung, die kräftig an der Ausbeutung durch Geldgeschenke (Schmiergelder) mitverdient, die Gegend total verwüstet und verseucht hinterlässt und so den Bewohnern dieser Gegend die Lebensgrundlage entzieht.
Die Menschen in dieser Region haben keinerlei Vorteil von diesem Reichtum. Im Gegenteil: Die Arbeitslosigkeit erhöht sich durch Umweltverschmutzung und das Fehlen von Fabriken, in denen Erdöl zu Produkten von Gebrauchsgütern hergestellt werden, da das Rohöl sofort außer Landes kommt.
Solange man diesen Ölkonzernen nicht Einhalt gebietet, ihnen strenge Umweltauflagen auferlegt und Schutzzölle einführt, wird sich an der Ausbeutung nichts ändern! Die Menschen in den Industrieländern sind deshalb aufgefordert, den dadurch entstehenden höheren Ölpreis hinzunehmen oder über Alternativen nachzudenken.
Oder sie müssen über alternative Energien nachdenken, damit meine ich aber nicht das Biogas, das beim Anbau der Rohstoffe wie Mai, Zuckerrohr u.s.w. große Anbauflächen erfordert, die es z.B. in Europa gar nicht ausreichend gibt. So wird man wieder auf die Entwicklungsländer als Anbaufläche zurückgreifen, dort Wälder abholzen, und Feldfrüchte und Getreide, die eigentlich als Nahrungsmittel dienen sollten, für die Autos der Reichen verfüttern. Versteppung der Landschaft, Wassermangel, koloniale Ausbeutung, und weitere Ausbreitung von Hunger werden die Folge sein. Beispiele dieser Fehlentwicklung konnte man schon in Mexiko spüren. Durch den Maisanbau im großen Stil zur Gewinnung von Biogas wurden die Preise des Mais in die Höhe getrieben. Die Mexikaner, deren Hauptnahrungsmittel Mais ist , können sich wegen der hohen Preise davon nicht mehr ernähren. Also hilft nur, den Ölverbrauch einzuschränken.
Ein weiteres Thema, das ein Flüchtling aus Burkina Faso ansprechen wird, ist die Zerstörung der bäuerlichen Strukturen in den ländlichen Gebieten Afrikas, die den Hauptanteil Afrikas ausmachen. Schon aus der Kolonialzeit zerstörten die Monokulturen, etwa des Kaffee- , Kakao-, Mais- , Bananen- und Baumwollplantagen die ursprünglichen bäuerlichen Strukturen. Das hieß schon damals, dass für die Ernährung der Landbevölkerung selbst wenig übrig blieb. Für unterschiedliche Feldfrüchte, Getreide oder Obst war sein Platz mehr.
Heute ist das auch nicht viel anders, diese Agrarländer sollen auf dem internationalen Markt bestehen, gegen die Einfuhr von westlichen subventionierten Lebensmitteln und Gebrauchsgütern, die dann den einheimischen Markt kaputt machen. Die Konsequenz ist eine hoffnungslose Verschuldung. Um dem zu entkommen, entschließen sich viele Entwicklungsländer, Hilfe bei der Welthandelsorganisation (WTO) und dem Internationalen Währungsfond (IMF) zu suchen. Diese verordnen als erstes die totale Öffnung der Märkte, das heißt, Schutzzölle gegen Billigimport werden als erstes verboten. Oberstes Gebot der WTO, offene Grenzen für die Waren (nicht etwa für die Menschen!!) und freier Handel. Den Regierungen dieser Länder wird erst zu spät bewusst, in welche ökonomische und ökologische Falle sie dadurch geraten. Durch die WTO wird der Anbau der Monokulturen immer mehr vorangetrieben, da man ihnen weis macht, je mehr angebaut wird, desto mehr bleibt für den Export übrig, was ein Trugschluss ist, denn durch den Billiganbau z.B. von Baumwolle aus den USA können die afrikanischen Länder nicht konkurrieren. Also treibt die Verschuldung weiter voran.
Deshalb meine Forderung: Wenn schon Anbau im großen Stil wie z.B. Baumwolle, dann auch gleich die Fertigstellung zu Bekleidungsartikeln im eigenen Land, und das unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen mit ausreichendem Lohn für die Arbeiter. Und deshalb können die Endprodukte auch nicht zu Schleuderpreisen auf den internationalen Markt geworfen werden. Wir als Verbraucher in den reichen Ländern müssen begreifen, dass bestimmte importierte Produkte auch ihren Preis haben.
Ein weiteres Mittel in Entwicklungsländern, ihre Schulden zu mindern ist die Privatisierung von Wasser, Strom und Wohnungen: Beispiel Südafrika: Privatisierung der Elektrizität. Bolivien: Privatisierung des Trinkwassers. (dagegen wurde ein blutiger Kampf gefochten, den am Ende die Demonstranten gewannen.) Die Privatisierungen nehmen den armen Menschen endgültig jede Lebensgrundlage. Eine weitere Folge von Armut, Wassermangel und Ungerechtigkeiten sind Kriege, die durch Waffenlieferungen besonders auch aus Deutschland immer wieder in Gang gehalten werden.
Dies sind nur einige der Gründe, warum Flüchtlinge zu uns nach Europa flüchten. Wobei zu bedenken ist, dass nur ganz wenige Flüchtlinge im Vergleich zu allen Flüchtlingen der Welt den Weg zu uns finden.
Tausende von Flüchtlingen kommen auf dem Weg nach Europa über das Mittelmeer ums Leben. Europas Außen- und Innenminister überlegen sich immer neue Methoden der militärischen Überwachung und Abschreckung, die Flüchtlinge von Europa fernzuhalten. Aber, die Menschen sind so verzweifelt, dass sie bewusst die Gefahren auf sich nehmen, da ihnen keine Alternative bleibt.
Wenn die Flüchtlinge dann bei uns angekommen sind und Asyl beantragen, kommen sie in ein Erstaufnahmelager, wo sie schon die ersten negativen Erfahrungen mit Behörden und dem Lagerleben mit wildfremden Menschen machen. Nach ca. drei Wochen sind die Flüchtlinge dann völlig unvorbereitet einer Erstanhörung ausgesetzt, die praktisch über ihr weiteres Schicksal, ob sie anerkannt werden oder nicht, entscheidend ist. Viele sind so traumatisiert, ich denke da besonders an Frauen, die bestimmt nicht über evtl. Vergewaltigungen oder andere sexuelle Übergriffe reden können. Nur ein sehr geringer Prozentsatz der Asylantragsteller werden auch anerkannt. Diejenigen, die nicht anerkannt werden, haben noch die Chance des Folgeantrags, sonst müssen sie mit der baldigen Abschiebung rechnen, es sei denn, es gibt Gründe, die gegen eine Abschiebung sprechen.
Diese Menschen leben dann im Zustand der Duldung über mehrere Jahre, sie werden oft in von der Bevölkerung abgelegenen Lager weitergeleitet. Dort leben sie in Lagern (auf Neudeutsch Unterkünfte), bis zu 6 Personen in einem Raum von 16 qm. Sie müssen tagtäglich mit der Angst leben, doch abgeschoben zu werden, die meisten haben Arbeitsverbot. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen sie nur Sachleistungen wie Essenspaketen, Zuteilung von Hygieneartikeln und ein Taschengeld von 40,- Euro im Monat. Sollten sie doch eine Arbeit haben, müssen sie für ihren Schlafplatz 200,- Euro bezahlen. Sie erhalten kein Geld für die Integrationskurse, die jetzt gefordert werden, diese Kurse sind nur für anerkannte Flüchtlinge und MigrantInnen vorgesehen. Die medizinische Versorgung ist sehr eingeschränkt.
Nächtliche Polizeikontrollen sind keine Seltenheit. Dies ist besonders für die Kinder traumatisierend.
Wie überhaupt die Kinder die Leidtragenden sind. Obwohl gerade Flüchtlingskinder sich schnell integrieren, nützt ihnen das wenig, wenn sie irgendwann zusammen mit ihren Eltern in ein Land abgeschoben werden, das sie nie gesehen haben, und deren Sprache sie nicht sprechen.
Durch eine neue Bleiberechtsregelung soll nun Flüchtlingen, die sehr lange hier in Duldung leben, die Möglichkeit gegeben werden, einen sicheren Aufenthaltsstatus zu bekommen. Dies ist aber noch kein Gesetz sondern nur eine einmalige Regelung.
Dabei gibt es Fristen. Familien müssen mindestens 6 Jahre hier ununterbrochen leben und Alleinstehende 8 Jahre. Integrationskurse, dauerhafte Beschäftigung und Sicherung des Lebensunterhalts ohne Sozialleistungen sind Bedingung. Weiter dürfen die Antragsteller nicht vorbestraft sein, selbst bei geringen, nur Ausländer betreffenden Delikten kann ihnen für immer der Weg in den sicheren Aufenthalt versperrt sein. Diese Kriterien sind immerhin ein Anfang für eine humanere Flüchtlingspolitik, obwohl Kranke, Alte und Behinderte außen vor bleiben.
Ausgeschlossen aus dieser Bleiberechtsregelung sind alle Iraker. Weil sie angeblich alle unter Terrorismusverdacht stehen, sollen sie in den Irak abgeschoben werden, mit der Begründung, die Fluchtursache, nämlich die Verfolgung durch Saddam Hussein, sei nicht mehr gegeben.
Nun noch kurz etwas über die Arbeit der Karawane.
Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten ist ein Zusammenschluss von Zugewanderten und Deutschen, von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen. Wir engagieren uns im Kampf für soziale und politische Rechte, Gleichheit und Respekt der Menschenwürde.
Ein Karawane-Aktivist wird am Gegengipfel in Rostock über unsere Arbeit und unsere Ziele berichten, wie Aktionen gegen Abschiebungen durch Pressearbeit, Beeinflussung der abschiebenden Fluggesellschaften durch Telefonanrufe oder Faxe, oder Protestaktionen am Flughafen; über Boykottaktionen in Flüchtlingsheimen gegen Essenspakete; über Öffentlichkeitsarbeit durch Demos oder Kundgebungen zum Thema Bleiberecht u.s.w.