Das Leben eines Flüchtlings in Deutschland

Diese Vortrag war am 22. Mai vor Jugendliche in eine Kirchengemeinde in München gehalten.

Ich heiße Odysseus. Ich komme aus Nigeria. Ich bin Flüchtling in Deutschland seit dreieinhalb Jahren.

Ich will euch etwas über mein Leben in Deutschland erzählen. Ich lebe seit dreieinhalb Jahren in einem Flüchtlingslager in München. Da wohne ich in einem 13 Quadratmeter großen Zimmer, das ich mit 3 anderen männlichen Erwachsenen teilen muss. Dieses Zimmer befindet sich in einem Wohnblock von 11 weiteren Zimmern. Alle 12 Räume in diesem Block sind ebenfalls 13 Quadratmeter groß. Sechs von diesen Zimmern sind von Familien mit Kindern bewohnt. Alles in allem wohnen in diesem Block 42 Leute. Dann gibt es noch eine Gemeinschafts­toilette und ein Bad für die Frauen und eine Toilette mit Bad für die Männer. Und dann noch eine 13 Quadratmeter große Küche mit vier Doppel-Kochplatten und 2 Spülen für alle Leute im Block. In dem Lager, wo ich wohne, sind insgesamt 6 Wohnblocks, die genau so aussehen wie der, den ich beschrieben habe.

Einige von den Leuten leben schon seit vielen Jahren dort. Da ist ein Mann in meinem Block aus Sri Lanka , und der hat mir erzählt, dass er in dieser Unterkunft seit 12 Jahren lebt. Er hat eine Frau und 4 Kinder. Er und seine Frau haben Glück. Sie haben 2 Zimmer von 13 Quadratmetern. Und eine andere Nachbarin aus Togo mit zwei Kindern wohnt in einem einzigen Raum mit ihren Kindern. Sie lebt auch in diesem Lager seit 12 Jahren. Ihre Kinder, ein Junge und ein Mädchen sind Zwillinge und neun Jahre alt. Sie sind in Deutschland geboren. Wenn diese Frau jetzt einen Ehemann hätte und noch zwei weitere Kinder, würde sie wohl auch ein zweites Zimmer bekommen. Wie ihr wohl schon vermutet habt, leben in dem Lager Menschen , die von überall auf der ganzen Welt herkommen. Vom Irak, Kongo, Kosovo, Gambia, Somalia, Ruanda, Syrien u.s.w.

Mein Lager befindet sich in einem abgelegenen Teil von München. Um das Lager herum ist ein Stacheldraht und am Eingang hängt ein Schild, auf dem in einem Befehlston steht, dass ein unerlaubtes Betreten des Geländes bestraft wird. Manchmal sehe ich Deutsche vor dem Eingang stehen, sie lesen das Schild und laufen schnell weg, weil sie glauben, dass in dem Lager Kriminelle und Straffällige leben. So fühle ich mich manchmal wie ein Gefängnisinsasse.

Wahrscheinlich fragt ihr euch: Warum kommen Flüchtlinge nach Deutschland? Flüchtlinge kommen nach Deutschland und in andere Teile von Europa, weil sie von Kriegen, Gewalt zwischen Stämmen, Benachteiligungen, Todesdrohungen und andere Formen von Androhung von Gewalt auf ihr Leben in ihren eigenen Ländern geflohen sind. Flüchtlinge fliehen aus ihren Ländern, weil es nicht länger für sie möglich ist, dort zu leben. Normalerweise haben sie die Wahl, ob sie in ihren Ländern bleiben und sterben oder flüchten und dafür leben. Flüchtlinge sind Menschen die sich für das Leben statt für den Tod entschieden haben. Da sie sich für das Leben entschieden haben, mussten sie all ihren Besitz, ihre Familien und ihre Lieben zurücklassen. Sehr häufig verlieren die Flüchtenden während der Flucht ihr Leben . Wie die Organisation der Vereinten Nationen, die UNO, feststellt, sind mehr als 80 Prozent der Flüchtlinge auf der ganzen Welt Flüchtlinge, die innerhalb ihres Landes oder Region auf der Flucht sind. Von den übrigen 20 Prozent, die es schaffen, auf der Flucht ihr Ursprungland zu verlassen, gelingt es nur der Hälfte davon, nach Europa oder andere Teile der westlichen Welt zu kommen. Das heißt, dass von jedem afrikanischen Flüchtling, den ihr in Europa seht, 9 afrikanische Flüchtlinge als Flüchtling in ihrem eigenen Land leben. Ein gutes Beispiel dafür ist Darfur im Sudan, wo Tausende von Menschen innerhalb der letzten zwei Jahre starben und Zehntausende wurden Flüchtlinge in ihrem eigenen Land oder in einem Nachbarland. Und in diesem Moment, in dem wir hier reden, werden in Darfur Menschen getötet aber die UNO und die Regierungen der westlichen Welt haben bis jetzt noch nicht entschieden, ob sie Friedenstruppen dorthin schicken sollen.

In Ländern wie Sudan oder Somalia ist es billiger, eine Maschinenpistole wie die AK47 (Kalashnikow) zu kaufen, als ein Sack Reis.

Ihr müsst wissen, dass Länder wie die Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland die größten Produzenten von Kleinwaffen wie die Maschinenpistole sind.

Es ist nun mal so, dass niemand seine Heimat nur aus Vergnügen verlässt.

Ein anderer Grund warum ich mich wie ein Gefangener fühle ist wegen der Residenzpflicht. Als ein Flüchtling in München darf ich nicht die Stadt München verlassen. Das heißt, ich kann z. B. nicht nach Berlin oder Hamburg fahren. Ich kann mich noch nicht mal an der schönen bayerischen Landschaft erfreuen, indem ich den Wendelstein oder Schwangau oder Garmisch besuche. Ich kann nicht die schönen Klöster wie Benediktbeuren besuchen. Ja, sogar nach Fürstenfeldbruck oder Erding oder Freising oder sogar den Münchener Flughafen kann ich nicht besuchen. Wenn ich zu irgendeinem von diesen Orten fahre, kann es mir passieren, dass ich Strafe bezahlen muss, was von der Entfernung von meinem Ort abhängt, oder ich muss sogar ins Gefängnis, wenn ich die Strafe nicht bezahlen kann.

Auf der anderen Seite bin ich noch einer der wenigen glücklichen Flüchtlinge, die in Deutschland leben. Ihr fragt euch wohl, warum? Der Grund ist, dass ich in München wohne, das eine große Stadt ist. Ich kann wenigstens in der Stadt spazieren gehen und die schönen Plätze sehen. Die meisten Flüchtlinge leben in abgelegenen Gegenden von Deutschland und ihre Lager sind in Wäldern weit weg von der nächsten Stadt oder in Industriegebieten gelegen.

Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz kann ich auch nicht selbst bestimmen, was ich essen will. Ich muss zweimal in der Woche zu bestimmten Zeiten Essenspakete abholen. Ebenfalls nach diesem Gesetz stehen mir vom Sozialamt nur 40 Euro Taschengeld im Monat zu.

Ich , wie die meisten Flüchtlinge, die ich kenne, würde gerne arbeiten, Steuern bezahlen, eine eigene Wohnung mieten und wie ein normaler Mensch leben, aber das Gesetz verhindert das. Einem Flüchtling in Deutschland ist es bis zu einem Jahr nach seiner Ankunft in Deutschland nicht erlaubt zu arbeiten. Nach einem Jahr darf ein Flüchtling wohl arbeiten aber nach dem Gesetz nur Arbeiten annehmen, die ein Deutscher oder EU-Bürger nicht tun will. Trotz dieser Hürden habe ich es geschafft einen Job zu finden. Aber, einen Job zu finden ist eine Sache und eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, eine andere. Also, das muss ich erklären: Wenn ich einen Arbeitgeber finde, der mich einstellen will, dann muss er für mich ein Arbeitsformular ausfüllen. Dieses Formular muss ich zum Kreisverwaltungsreferat, KVR, bringen. Das KVR redet mit dem Arbeitsamt. Dieses Gespräch dauert etwa 4 bis 6 Wochen. Dann bekomme ich einen Bescheid, ob ich diese Arbeit machen darf oder nicht. Meistens bekomme ich ein „Nein“. Sollte ich ein „Ja“ bekommen, dann ist die Arbeit meistens schon vergeben. Ich habe das Gefühl, dass ich für das Arbeitsamt als Vermittler arbeite. Ich mache mir die Arbeit einen Job zu finden und das Arbeitsamt schickt jemand anderen hin. Irgendwann müsste ich dafür noch Provision kassieren.

Ein anderer Grund warum es für einen Flüchtling so schwierig ist, eine Arbeit zu finden ist, dass ein Flüchtling seinen Ausweis beim KVR alle paar Monate erneuern lassen muss . Viele Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, müssen alle paar Monate ihre Duldung erneuern. Kein Arbeitgeber will einen Arbeiter einstellen, der nur ein paar Wochen oder Monate eine Aufenthaltsgenehmigung im Land hat.

Wenn man die Lebensbedingungen eines Flüchtlings in Deutschland betrachtet, wie sie oben beschrieben wurde, beschäftigt mich eine Frage. Warum beklagt Deutschland die Menschenrechtsverletzungen in anderen Staaten, während die grundlegenden Menschenrechte der Flüchtlinge in Deutschland nicht anerkannt werden? Viele Flüchtlinge kommen nach Deutschland in der Hoffnung, dass sie in einen zivilisierten Teil der Welt kommen wo sie Schutz vor Unterdrückung, Benachteiligung und Ungerechtigkeit bekommen. Leider ist es so, wenn man hierher kommt, ist man weiteren seelischen Qualen ausgesetzt durch psychologische Terrorisierung, Benachteiligung (Diskriminierung), und schließlich die Abschiebung in genau das selbe Land von denen sie geflohen sind. Das deutsche Auswärtige Amt (Außenministerium) arbeitet sogar mit vielen Diktaturen zusammen um die Abschiebungen der OppositionsaktivistInnen, die als Flüchtling in Deutschland leben, möglich zu machen. Zwei gegenwärtige Beispiele sind Äthiopien und der Irak. Vor ein paar Wochen wurden alle Iraker, die in Bayern als Flüchtlinge leben, gezwungen, einen Erkennungsdienstlichen Vorgang in München über sich ergehen zu lassen, der gemeinsam von irakischen Botschaftsangehörigen und dem deutschen Bundesamt für Flüchtlinge durchgeführt wurde. Diese Vorladung war dazu da, um den Flüchtlingen Reisedokumente zu übergeben, so dass sie nach dem Irak gegen ihren Willen abgeschoben werden können. Wir alle wissen, dass im Irak Krieg herrscht, und dass jeden Tag Hunderte von Menschen getötet werden. Trotzdem sagt der Bayerische Innenminister, dass im Irak Frieden ist, und dass außerdem jeder Iraker ein Terrorist ist.

Ich selber bin ein Christ aus einer katholischen Familie. Christliche Missionare von Europa haben in Afrika das Christentum im neunzehnten Jahrhundert eingeführt. Eine der grundlegenden Lehren ist die Nächstenliebe und Brüderlichkeit der Menschen. Die christliche Bibel lehrt uns, dass wir immer unsere Schwestern und Brüder beschützen sollen. Deutschland ist zum größten Teil ein christliches Land. Seit ich in Deutschland bin, habe ich immer die wunderbaren Kirchen Bayerns bewundert. Der jetzige Pabst der katholischen Kirche ist ein Deutscher aus Bayern.

Zwei der regierenden politischen Parteien in Deutschland sind die Christlich Demokratische Union, CDU, und die Christlich Soziale Union, CSU. Diese Parteien sind traurigerweise auch die zwei Parteien mit der größten Ausländerfeindlichkeit. Nachdem ich nun dreieinhalb Jahre in Deutschland lebe, frage ich mich, ob das Christentum der Europäer, das zu uns nach Afrika gebracht wurde, anders als das Christentum ist, das in Europa gelebt wird. Glauben wir an den selben Gott und lesen wir die selbe Bibel??

Danke für eure Geduld.