200 Menschen zogen am Samstag, 24. Februar, mit einem Demonstrationszug unter dem Motto Für das ganze Bleiberecht — weg mit dem Angstzustand Duldung durch München. Die Demonstration stand im Rahmen des bundesweiten Aktionstages 100 Tage und kein Bleiberecht. Aufgerufen hatte die Bleiberechtsplattform München, an der sich unter anderem die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen, Jugendliche ohne Grenzen und der Bayerische Flüchtlingsrat beteiligen.
Der Protest richtet sich sowohl gegen die sogenannte Bleiberechtsregelung der Bundesinnenministerkonferenz in Nürnberg im November 2006 als auch gegen die Pläne der Regierungskoalition für eine bundesgesetzliche Bleiberechtsregelung, da nach diesen Regelungen die meisten Flüchtlingen vom Bleiberecht ausgeschlossen bleiben. Außerdem soll nach den Plänen der Regierungskoalition eine Bleiberechtsregelung mit gleichzeitigen massiven Verschärfungen des Ausländergesetzes erkauft werden.
Anstelle davon fordern die AktivistInnen der Bleiberechtskampagne ein ganzes Bleiberecht ohne Ausschlüsse, das Schluss macht mit dem Angstzustand von Duldung, drohender Abschiebung und Illegalisierung, und die Abschaffung rassistischer Ausländergesetze.
An der lautstarken und bunten Demonstration beteiligten sich Menschen vieler verschiedener Nationalitäten, darunter zahlreiche BewohnerInnen von Münchner Flüchtlingslagern, die selbst mit unsicherem Duldungsstatus leben oder die aufgrund von gegen Null tendierenden Asylanerkennungszahlen momentan kaum eine andere Perspektive haben als ein Leben mit Duldung oder die Abschiebung. In den Redebeiträgen stellten Betroffene und UnterstützerInnen dar, was es konkret heißt, mit Duldung zu leben. Ein spezielles Augenmerk wurde dabei sowohl auf die Kriminalisierung von „Duldungs“-InhaberInnen wegen angeblichem Verstoß gegen die Passpflicht als auch auf die spezielle Situation der Unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlinge gelegt. Da die Demonstration großteils durch migrantische Wohn- und Geschäftsviertel ging, wurden vom Lautsprecherwagen aus auch Beiträge in türkischer Sprache gehalten. Bereichert wurde die Demonstration auch durch die gerappten Statements der HipHop-Acts Microphone Mafia (Köln) und Lea-Won (München).
Nach Redebeiträgen vor dem Münchner Hauptbahnhof und dem Strafjustizzentrum endete der Demozug vor der Münchner CSU-Zentrale, wo der Politik dieser Partei, die mit rassistischer Stimmungsmache jeglichen Ansatz einer Bleiberechtsregelung torpediert, eine wütende Absage erteilt wurde.
Die Demonstration war ein deutliches Signal, dass sich die FlüchtlingsaktivistInnen nicht mit einer Pseudo-Bleiberechtsregelung zufrieden geben, die zudem mit rassistischen Gesetzesverschärfungen erkauft wird, sondern dass der Kampf für das ganze Bleiberecht mit voller Kraft weitergehen muss.
Auf deutschland-lagerland.de ist die Medienberichterstattung rund ums Bleiberecht ausführlich dokumentiert.
Praktischer Bleiberechtskampf: Abschiebung verhindert!
Ein Zeichen, was tagtäglicher Kampf ums Bleiberecht in der Praxis bedeutet, haben AktivistInnen der Karawane dann quasi gleich im Anschluß am Montag mit der Verhinderung der Abschiebung von Yabre Oumarou gezeigt. Yabre sollte an diesem Tag um 10.15 Uhr von München aus mit einem Flug der Air France über Paris nach Ouagadougou abgeschoben werden. Auch in Paris und Ouagadougou protestierten Menschenrechtsgruppen.
Die Karawane hatte zunächst dazu aufgerufen, die Air France mit Faxen und Telefonaten dazu zu bewegen, die Mitnahme von Yabre Oumarou zu verweigert; zahlreiche Faxe und Anrufe aus dem gesamten Bundesgebiet gingen bei der französischen Fluggesellschaft ein. Am Montag fuhren AktivistInnen der Karawane dann an den Münchner Flughafen, sprachen Fluggäste und Crewmitglieder am Gate an, verteilten Flugblätter und forderten dazu auf, die Abschiebung in letzter Minute zu stoppen.
In Burkina Faso selbst erregt der Fall schon vorher großes Medieninteresse. So berichtete die größte unabhängige Tagesszeitung Le Pays schon am 13. Februar über den Fall. Dort macht das Comité de soutiens a Yabre Oumarou B.F., bestehend aus verschiedenen Menschenrechtsgruppen, weiter Druck. Neben Protesten am Flughafen ist vor allem die deutsche Botschaft Ziel ihrer Proteste. Sie fordern ein Ende der Kollaboration mit dem diktatorischen Regime von Präsident Blaise Compaoré. Burkina Faso ist einer der ärmsten Staaten der Welt, die Menschenrechte werden dort nicht respektiert (vgl. ai 2005). 1987 kam der heute noch regierende Präsident durch einen Militärputsch an die Macht, bei dem der populäre und weltweit bekannte Präsident Thomas Sankara ermordet wurde.
Obwohl die Abschiebung verhindert wurde, sitzt Yabre weiter in Abschiebehaft. Wir werden weiter Druck auf die verantwortlichen Behörden ausüben, sagt Hamadou Dipama von der Karawane. Ich rufe alle zur Solidarität mit Yabre auf, um seine umgehende Freilassung zu erreichen. Der Protest geht weiter bis Yabre frei ist!.
Die Hintergründe zur verhinderten Abschiebung von Yabre finden sich bei thevoiceforum.org.