Wir haben bei den Bundestagsabgeordneten aus München angefragt, wie ihre Position zum Bleiberecht aussieht. Die Antworten (und Fragen jeweils darunter) veröffentlichen wir hier, die meisten sind parallel auch auf www.abgeordnetenwatch.de zu finden. So kann sich jeder ein Bild machen, wo die einzelnen Parlamentarier bezüglich des Aufenthaltsrechts grundsätzlich stehen – und bei Interesse selbst weiter nachfragen. Hier die Antworten von Martin Zeil, FDP (ein kürzere, die auch auf abgeordnetenwatch veröffentlicht wurde und eine längere, die direkt bei uns einging) Weiterlesen
Archiv der Kategorie: Bleiberecht
Abgeordnetenbriefe, Antwort Dr. Rainer Stinner, FDP
Wir haben bei den Bundestagsabgeordneten aus München angefragt, wie ihre Position zum Bleiberecht aussieht. Die Antworten (und Fragen jeweils darunter) veröffentlichen wir hier, die meisten sind parallel auch auf www.abgeordnetenwatch.de zu finden. So kann sich jeder ein Bild machen, wo die einzelnen Parlamentarier bezüglich des Aufenthaltsrechts grundsätzlich stehen – und bei Interesse selbst weiter nachfragen. Hier die Anwort von Dr. Rainer Stinner, FDP
Lautstarker Protest für das ganze Bleiberecht & Abschiebung am Flughafen gestoppt
200 Menschen zogen am Samstag, 24. Februar, mit einem Demonstrationszug unter dem Motto Für das ganze Bleiberecht — weg mit dem Angstzustand Duldung durch München. Die Demonstration stand im Rahmen des bundesweiten Aktionstages 100 Tage und kein Bleiberecht. Aufgerufen hatte die Bleiberechtsplattform München, an der sich unter anderem die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen, Jugendliche ohne Grenzen und der Bayerische Flüchtlingsrat beteiligen.
Der Protest richtet sich sowohl gegen die sogenannte Bleiberechtsregelung der Bundesinnenministerkonferenz in Nürnberg im November 2006 als auch gegen die Pläne der Regierungskoalition für eine bundesgesetzliche Bleiberechtsregelung, da nach diesen Regelungen die meisten Flüchtlingen vom Bleiberecht ausgeschlossen bleiben. Außerdem soll nach den Plänen der Regierungskoalition eine Bleiberechtsregelung mit gleichzeitigen massiven Verschärfungen des Ausländergesetzes erkauft werden.
Anstelle davon fordern die AktivistInnen der Bleiberechtskampagne ein ganzes Bleiberecht ohne Ausschlüsse, das Schluss macht mit dem Angstzustand von Duldung, drohender Abschiebung und Illegalisierung, und die Abschaffung rassistischer Ausländergesetze.
An der lautstarken und bunten Demonstration beteiligten sich Menschen vieler verschiedener Nationalitäten, darunter zahlreiche BewohnerInnen von Münchner Flüchtlingslagern, die selbst mit unsicherem Duldungsstatus leben oder die aufgrund von gegen Null tendierenden Asylanerkennungszahlen momentan kaum eine andere Perspektive haben als ein Leben mit Duldung oder die Abschiebung. In den Redebeiträgen stellten Betroffene und UnterstützerInnen dar, was es konkret heißt, mit Duldung zu leben. Ein spezielles Augenmerk wurde dabei sowohl auf die Kriminalisierung von „Duldungs“-InhaberInnen wegen angeblichem Verstoß gegen die Passpflicht als auch auf die spezielle Situation der Unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlinge gelegt. Da die Demonstration großteils durch migrantische Wohn- und Geschäftsviertel ging, wurden vom Lautsprecherwagen aus auch Beiträge in türkischer Sprache gehalten. Bereichert wurde die Demonstration auch durch die gerappten Statements der HipHop-Acts Microphone Mafia (Köln) und Lea-Won (München).
Nach Redebeiträgen vor dem Münchner Hauptbahnhof und dem Strafjustizzentrum endete der Demozug vor der Münchner CSU-Zentrale, wo der Politik dieser Partei, die mit rassistischer Stimmungsmache jeglichen Ansatz einer Bleiberechtsregelung torpediert, eine wütende Absage erteilt wurde.
Die Demonstration war ein deutliches Signal, dass sich die FlüchtlingsaktivistInnen nicht mit einer Pseudo-Bleiberechtsregelung zufrieden geben, die zudem mit rassistischen Gesetzesverschärfungen erkauft wird, sondern dass der Kampf für das ganze Bleiberecht mit voller Kraft weitergehen muss.
Auf deutschland-lagerland.de ist die Medienberichterstattung rund ums Bleiberecht ausführlich dokumentiert.
Praktischer Bleiberechtskampf: Abschiebung verhindert!
Ein Zeichen, was tagtäglicher Kampf ums Bleiberecht in der Praxis bedeutet, haben AktivistInnen der Karawane dann quasi gleich im Anschluß am Montag mit der Verhinderung der Abschiebung von Yabre Oumarou gezeigt. Yabre sollte an diesem Tag um 10.15 Uhr von München aus mit einem Flug der Air France über Paris nach Ouagadougou abgeschoben werden. Auch in Paris und Ouagadougou protestierten Menschenrechtsgruppen.
Die Karawane hatte zunächst dazu aufgerufen, die Air France mit Faxen und Telefonaten dazu zu bewegen, die Mitnahme von Yabre Oumarou zu verweigert; zahlreiche Faxe und Anrufe aus dem gesamten Bundesgebiet gingen bei der französischen Fluggesellschaft ein. Am Montag fuhren AktivistInnen der Karawane dann an den Münchner Flughafen, sprachen Fluggäste und Crewmitglieder am Gate an, verteilten Flugblätter und forderten dazu auf, die Abschiebung in letzter Minute zu stoppen.
In Burkina Faso selbst erregt der Fall schon vorher großes Medieninteresse. So berichtete die größte unabhängige Tagesszeitung Le Pays schon am 13. Februar über den Fall. Dort macht das Comité de soutiens a Yabre Oumarou B.F., bestehend aus verschiedenen Menschenrechtsgruppen, weiter Druck. Neben Protesten am Flughafen ist vor allem die deutsche Botschaft Ziel ihrer Proteste. Sie fordern ein Ende der Kollaboration mit dem diktatorischen Regime von Präsident Blaise Compaoré. Burkina Faso ist einer der ärmsten Staaten der Welt, die Menschenrechte werden dort nicht respektiert (vgl. ai 2005). 1987 kam der heute noch regierende Präsident durch einen Militärputsch an die Macht, bei dem der populäre und weltweit bekannte Präsident Thomas Sankara ermordet wurde.
Obwohl die Abschiebung verhindert wurde, sitzt Yabre weiter in Abschiebehaft. Wir werden weiter Druck auf die verantwortlichen Behörden ausüben, sagt Hamadou Dipama von der Karawane. Ich rufe alle zur Solidarität mit Yabre auf, um seine umgehende Freilassung zu erreichen. Der Protest geht weiter bis Yabre frei ist!.
Die Hintergründe zur verhinderten Abschiebung von Yabre finden sich bei thevoiceforum.org.
Zu Besuch bei SPD und CSU.
Heute, am Freitag, den 23. Februar 2007, hat die Karawane im Rahmen der Münchner Bleiberechtsplattform neben einer Pressekonferenz zur Problematik des Bleiberechts auch bei den Parteizentralen von SPD und CSU vorbeigeschaut.
Zu Besuch bei der SPD
Wir hatten unseren Besuch schon angekündigt und darum gebeten, ein Schreiben übergeben zu können. In der Tat wurde auch eine Delegation vom SPD-Landesgeschäftsführer, dem bayerischen Juso-Vorsitzenden und der Vorsitzenden der bayerischen ASF empfangen, die auch hineingebeten wurden, um sich anzuhören, was sie zum Bleiberecht vorzubringen hatten. Das Gespräch dauerte länger als erwartet, die SPD versuchte zu erklären, wieso die Union am derzeitigen Nichtzustandekommen des Bleiberechts schuld wäre. Auf den Hinweis hin, die SPD hätte es in der Zeit der rot-grünen Regierung versäumt, ein Bleiberecht zu verabschieden, war dann auch das Gespräch schon beendet. Dennoch kamen die SPDlerInnen noch zur Kundgebung, die gleichzeitig stattfand herunter und erklärten, dass sie mit den allermeisten unserer Ziele übereinstimmen würden. Sie überreichten uns auch noch eine Presseerklärung der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Ute Vogt zum Bleiberecht. Ironischerweise ist genau dieser zu entnehmen, dass auch die SPD noch Nachhilfe beim Bleiberecht braucht. Sie verteidigt das vereinbarte Bleiberecht und erklärt:
Etwa 100.000 Menschen werden die Anforderungen erfüllen und bekommen zunächst für zweieinhalb Jahre ein echtes Aufenthaltsrecht. Wer in dieser Zeit seinen Lebensunterhalt „überwiegend durch eingeständige Erwerbstätigkeit“ sichern kann, bekommt zwei weitere Jahre dazu.
Aber dass kann es genau nicht sein. Ein Bleiberecht muss Sicherheit und Zukunft bieten, nicht eine stückchenweise Verlängerung der Aufenthalte. In diesem Sinne hoffen wir, dass auch die SPD ihre Position noch verbessert und sich für das ganze Bleiberecht einsetzt. Das Schreiben, dass wir überreichten, war nämlich eine Duldung (Aussetzung der Abschiebung), ausgestellt für die MdBs der SPD, die um 6 Monate verlängert wird, falls ein Bleiberecht für 100.000 Menschen verabschiedet wird, um 12 Monate bei einem Bleiberecht für 192.000 Menschen, und falls Illegalität und Duldung abgeschafft wird, wird sie in eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis umgewandelt.
Und bei der CSU
Bei der CSU war die Stimmung noch ein Stückchen besser, aber so ist das halt, wenn einem der Wind stärker entgegenweht. Beckstein und Stoiber haben ja die letzten Tage nochmal stärker gegen das Bleiberecht geschossen, und uns wollten sie einfach ignorieren (Motto des CSU: „Näher am Menschen“). Weil angeblich niemand mehr im Haus war (Dienstschluss 14.15 Uhr, das sind Arbeitszeiten), konnte auch niemand unsere Duldung entgegennehmen, obwohl die ganze Zeit Autos rein und rausfuhren. Nach langer Diskussion, Parolen und einer Rede der Karawane München nahm dann der Leiter der Sicherheitsabteilung der CSU die Duldung entgegen.
Fazit
Kein schlechter Auftakt für den Aktionstag. Morgen ist die Demo, und da werden wir dann nochmal so richtig laut für ein Bleiberecht eintreten.
Siehe auch:
100 Tage und kein Bleiberecht!
Anlässlich des bundesweiten Aktionstag „100 Tage und kein Bleiberecht“ finden auch in München Aktionen statt.
23. Februar 2007
13.oo Uhr, Aktion vor der SPD – Zentrale, Oberanger 38
15.oo Uhr, Aktion vor der CSU – Zentrale, U1 Mailingerstraße
24. Februar 2007
15.oo Uhr Stachus: Demo mit Microphone Mafia (Hiphop aus Köln)
Aufruf auf Deutsch, Englisch und Französisch, sowie eine Hörprobe von Microphone Mafia
[audio:http://carava.net/wp-content/uploads/2007/02/microphonemafiatestanera.mp3]
Das Recht, das für die zweihunderttausend Ausländer gilt, die seit Jahren als „Geduldete“; in Deutschland leben, ist ein einziges Desaster, es ist ein Recht das Unglück schafft, ein Recht das Menschen verzweifeln lässt. (Süddeutsche Zeitung, 16.11.2006, Seite 4)
Seit Jahren versprechen PolitikerInnen, den unmenschlichen Zustand der Kettenduldungen für Flüchtlinge abzuschaffen. Letzter Versuch war das Bleiberecht von 2006, doch 100 Tage später ist klar: es war nur ein einmaliger Gnadenakt. Der Angstzustand „Duldung“ bleibt für den Großteil bestehen. Lageralltag, Abschiebungen, Arbeitsverbote und die Verletzung der Würde von Flüchtligen gibt es weiterhin.
Im März wird der Bundestag zwar beim Bleiberecht nachbessern, aber gleichzeitig das Aufenthaltgesetz weiter verschärfen, was neue Geduldete und noch mehr Illegalisierte zur Folge haben wird. Daher gehen am 24. Februar unter dem Motto „100 Tage und kein Bleiberecht“ in ganz Deutschland Menschen auf die Straße und fordern vom Bundestag: Schafft die Duldung ab! Wir wollen das ganze Bleiberecht!
Ein erster Schritt ist getan Nachdem im November 2006 in Nürnberg 2500 Menschen für das Bleiberecht protestierten, sahen sich die Innenminister gezwungen, auf die jahrelange Kampagne für ein Bleiberecht zu reagieren: Sie haben entschieden, dass einige wenige Geduldete bleiben dürfen (etwa 10-15 % der 192.000 Geduldeten). Die anderen werden ausgeschlossen, weil sie nicht lange genug in Deutschland sind, weil sie nicht an ihrer Abschiebung mitgearbeitet haben oder ein paar mal schwarz gefahren sind. Und nicht zuletzt bleiben mit den Illegalisierten 500.000 bis 1.000.000 Menschen, die ohne jegliche Rechte in Deutschland leben, von einer Bleiberechtsperspektive ausgeschlossen.
Die Bundestagsentscheidung 2007 Die Koalition wird ein neues Aufenthaltsgesetz verabschieden und ein gesetzliches Bleiberecht beschließen. Es gibt zwar Verbesserungen, doch das größte Problem des bisherigen Bleiberechts bleibt bestehen: Nur wer an einem bestimmten Stichtag schon 8 bzw. 6 Jahre hier ist, kommt überhaupt in Frage. Für alle Anderen gibt es keine Perspektive, auch wenn sie dann irgendwann 8 Jahre hier sind. Das Bleiberecht bleibt damit ein einmaliger Gnadenakt, der das Problem nur vertagt. Vor allem ist jedoch zu befürchten, dass das gesetzliche Bleiberecht mit extrem harten Verschärfungen beim Familiennachzug und bei der Verlängerung einer schon erteilten Aufenthalterlaubnis „bezahlt“ werden muss. Das Gesetz wird damit wieder neue Geduldete und Illegalisierte zur Folge haben, statt endlich eine vernünftige Lösung zu suchen.
Noch mehr Abschiebungen? Gleichzeitig mit dem Bleiberecht kündigten die Innenminister an, noch mehr abschieben zu wollen. Auf geduldete Flüchtlinge wird zunehmend Druck ausgeübt, damit sie „freiwillig ausreisen“: durch Einweisung in Abschiebelager, Arbeitsverbote, Entzug von Sozialleistungen, Aufenthaltsbeschränkungen oder die Kriminalisierung wegen „mangelnder Mitwirkung“. In Kollaboration mit diktatorischen Regimes, wie z.B. den Regierungen von Togo und Äthiopien, werden Menschen mit Sammelcharterflügen brutal verschleppt und an ihre Verfolger ausgeliefert.
Nicht mit uns! MigrantInnen, Flüchtlinge und ihre UnterstützerInnen schaffen es immer wieder, Abschiebungen aktiv zu verhindern. Sei es durch individuelle Widerspenstigkeit, öffentlichen Druck oder direkte Aktionen an Flughäfen. All diese jahrelangen Widerstandserfahrungen müssen wir gerade jetzt zusammenbringen, damit die Rechnung der Innenminister und Bürokraten, die durch Abschiebungen die Auseinandersetzung um das Bleiberecht in ihrem Sinne entscheiden wollen, nicht aufgeht!
Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen. (Johann Wolfgang von Goethe)
Wir wollen ein Bleiberecht für alle Geduldeten und Illegalisierten erreichen. Als Schritte auf dem Weg dorthin fordern wir von einem neuen Bleiberecht:
- Statt einem einmaligen „Gnadenerlass“ mit Stichtagsregelung muss es einen dauerhaft verankerten Rechtsanspruch auf Bleiberecht geben, der auch später Eingereisten ein „Hineinwachsen“ in ein Aufenthaltsrecht ermöglicht.
- Geldstrafen, mangelnde Mitwirkung an der eigenen Abschiebung oder mangelnde Sprachkenntnisse dürfen niemanden vom Bleiberecht ausschließen. Ein Arbeitsnachweis darf keine Bedingung für ein Bleiberecht sein.
- Für alle Kinder und Jugendlichen und ihre Familien, Kranke, Alte und traumatisierte Menschen muss es ein Bleiberecht geben.
- Alle seit dem 23.06.2005 – seit dem ersten Appell zur Innenministerkonferenz in Stuttgart – abgeschobenen Menschen, die unter die Neuregelung fallen, müssen zurückkehren dürfen.
- Eine Bleiberechtsregelung im Bundestag darf nicht mit anderen ausländerrechtlichen Verschärfungen erkauft werden!
- Schluss mit Abschiebungen!