Flüchtlinge im Hungerstreik nicht lächerlich machen!

Klarstellung zum Bericht in der Süddeutschen Zeitung „Hungerstreik light“ und dem Kommentar „Inflation des Hungerstreiks“

Die Karawane München stellt klar: Wir haben die Flüchtlinge in Hauzenberg und Breitenberg nicht zum Hungerstreik aufgerufen. In der Karawane arbeiten Flüchtlinge, MigrantInnen und Deutsche gleichberechtigt zusammen, eines unserer Ziele ist es, gezielt die Selbstorganisation von Flüchtlingen zu bestärken und ihren Forderungen in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Deswegen unterstützen wir den Hungerstreik durch Pressearbeit.

Die Flüchtlinge wissen sehr genau, was sie wollen – ihnen etwas „einzureden“, wie es die Politik und die SZ unterstellen, wäre nicht möglich. Schon gar nicht eine Aktion wie den Hungerstreik, mit dem sie ihren eigenen Körper zur Waffe im Kampf um menschenwürdige Lebensbedingungen machen.

Der Hungerstreik der Flüchtlinge in Hauzenberg und Breitenberg ist konkreter Ausdruck der Verzweiflung über ihr inhumanes Dasein im Lager – das Eingesperrtsein, die Unfreiheit und die Bevormundung, die sie ertragen müssen. Wir erwarten nicht, dass ein Journalist, der einmal ein Lager besucht, diese Verzweiflung versteht, aber die qualitativ fragwürdigen zweimal die Woche ausgegebenen Essenspakete im Artikel als tägliche „Lunchpakete“ zu bezeichnen, ist schon etwas zynisch. Entsprechend protestieren die Flüchtlinge in seinen Augen vor allem für “Essen, das ihnen schmeckt“ und er ist offensichtlich enttäuscht, dass er keine völlig entkräftet im Bett liegenden Hungerstreikenden antrifft, deshalb erklärt er sie alle pauschal für unglaubwürdig. Da plaudert er doch lieber mit der „warmherzigen“ Heimleiterin, die ihre Flüchtlinge wie Kinder behandelt und „sie auch mal liebevoll in die Wange zwickt“.

Die Regierung von Niederbayern ist nicht gerade glücklich über die Aufmerksamkeit, die der Hungerstreik erregt, und der Regierungspräsident will im Grunde alles so belassen wie es ist – wie ein Beitrag des Bayerischen Fernsehens zum Thema überdeutlich zeigt. Dass die Politiker die Flüchtlinge als fremdgesteuert darstellen möchten, ist verständlich – erstaunlich ist allerdings, dass sich die SZ diese Perspektive zu eigen macht.

Vielleicht haben wir schlicht ein anderes Menschenbild. In der Karawane München engagieren wir uns gemeinsam mit Flüchtlingen, nicht für Flüchtlinge. Wir sind davon überzeugt, dass die Betroffenen ihre Lage am besten verstehen, und wir ihnen als Gruppe nicht erzählen können, wie sie zu handeln haben. In diesem Sinne lehnen wir die Entmündigung und den Paternalismus der bayerischen Asylpolitik ab. Flüchtlinge sind keine Menschen zweiter Klasse. Sie sollten nicht bevormundet werden, nicht in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sein, und anstatt im Nichtstun verharren zu müssen, Arbeit aufnehmen können. Auch wenn der bayerische Staat sie anders behandelt: Flüchtlinge sind keine Kinder, die sich gerne mal liebevoll in die Backe kneifen lassen, oder für die Vater Staat „Lunchpakete“ packt und ihnen damit vorschreibt, was sie essen dürfen und was nicht.

Seit rund eineinhalb Jahren wird die bayerische Asylpolitik in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert nachdem eine Expertenanhörung im bayerischen Landtag verdeutlicht hatte, dass die Lagerunterbringung inhuman ist und in vielen Fällen krank macht. Es den Flüchtlingen so unangenehm wie möglich zu machen, ist bewusstes Ziel der bayerischen Politik, die Unterbringung in Asylunterkünften soll „die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern“. Deswegen werden sie in Lagern untergebracht, in ihrer Bewegungsfreiheit und Arbeitsmöglichkeit eingeschränkt, sowie mit Lebensmittelpaketen versorgt.

Dagegen wehren sich die Flüchtlinge seit Jahren – unter anderem im Netzwerk „Deutschland Lagerland“, dem auch die Karawane angehört. Die Debatte um die Lagerunterbringung spaltete zwischenzeitlich selbst die CSU (vgl. Sozialministerin Haderthauer “Der Innenminister blockiert mich‘‚), ein brandaktuelles Positionspapier der Partei verdeutlicht aber nun, dass alles beim Alten bleiben soll.

Wir sind nach wie vor zutiefst besorgt, dass der Hungerstreik bleibende gesundheitliche Schäden hinterlassen könnte und waren froh zu hören, dass gestern ein Arzt den Gesundheitszustand der Flüchtlinge in Hauzenberg überprüfte, die weiterhin keine feste Nahrung zu sich nehmen. Auf ärztliches Anraten schlucken sie jedoch Traubenzucker und Magnesiumtabletten, weiter wurden Brühwürfel  bereitgestellt, damit einzelne Flüchtlinge im  Fall von ernsten gesundheitlichen Problemen langsam wieder mit der Nahrungsmittelaufnahme beginnen können.

Seit dem Beginn des Hungerstreiks haben mehrere Flüchtlinge massiv an Gewicht verloren (10 Kilo und mehr) und befinden sich am Tag 13 in einer schwierigen gesundheitlichen Lage. Nichtsdestoweniger sind sie entschlossen, vorerst weiter zu machen.

Wir hoffen, dass die Versuche der Regierung, die Hungerstreikenden lächerlich zu machen und ihren Kampf um ihre Rechte zu entwerten, nicht nachhaltig wirksam sein werden. Nach wie vor unterstützen wir die Forderungen der Flüchtlinge:

  1. Recht auf Arbeit
  2. Bewegungsfreiheit innerhalb Bayerns
  3. Bargeld statt Essenspakete