Kurz vor der anstehenden Entscheidung über die Lebens- und Wohnverhältnisse von Flüchtlingen im bayerischen Landtag (Infos dazu unter www.fluechtlingsrat-bayern.de ) wächst der Flüchtlingsstreik in bayerischen Lagern immer weiter. Seit Dienstag, 16. März, haben sich insgesamt 29 BewohnerInnen von zwei Lagern in Augsburg und außerdem 2 Bewohnerinnen des Lagers in Schwabmünchen dem Essenspaketeboykott angeschlossen, über 100 Menschen in 9 Lagern beteiligen sich damit an dem Streik. Dazu eine Presseerklärung von Karawane München und bayerischem Flüchtlingsrat:
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Pressemitteilung, 17. März 2010
Essenspaketboykott jetzt auch in Augsburg
Flüchtlingsproteste weiten sich von Niederbayern über die Oberpfalz nach Schwaben aus
Seit gestern, 16.03.2010, boykottieren insgesamt 29 BewohnerInnen der beiden Augsburger Flüchtlingslager in der Calmbergerstraße und in der Neusässer Straße (ehemalige Flak-Kaserne) die Annahme der Essenspakete. Sie schließen sich damit dem Flüchtlingsstreik an, mit dem seit dem 26. Januar immer mehr BewohnerInnen
bayerischer Flüchtlingslager gegen ihre unerträglichen Lebensbedingungen protestieren – mittlerweile beteiligen sich über 100 Flüchtlinge in Augsburg, Bogen, Regensburg, Aholfing, Passau, Hauzenberg und Breitenberg. Die zentralen Forderungen sind: „Bargeld statt Essenpakete, weg mit der Residenzpflicht, generelle Arbeitserlaubnis, Abschaffung der Lagerpflicht und Respekt von den Verantwortlichen in Ausländerbehörden, Landratsämtern und im Innenministerium.“
Neben der Mangelversorgung mit Essenspaketen kritisieren die Flüchtlinge die unerträgliche Wohnsituation in den Augsburger Lagern: „Wir wohnen hier zu fünft oder zu sechst in einem Zimmer. Die Küchen und die sanitären Einrichtungen hier sind komplett überlastet, verdreckt und unhygienisch. Das Leben hier macht uns körperlich und psychisch krank“, bringt ein Bewohner seinen Unmut zum Ausdruck. Das Flüchtlingslager in der Calmbergerstraße bietet einen erschreckenden Anblick: Zimmerdecken, durch die das Wasser tropft und die von den BewohnerInnen
notdürftig mit Zeitungspapier abgedichtet wurden; herausgefallene Zimmerfenster, durch die winterlich kalte Luft pfeift; Duschen ohne warmes Wasser vor 14 Uhr; Lampenabdeckungen voller toter Insekten. Längst überfällige
Instandsetzungen von der Lagerleitung, die der Regierung von Schwaben untersteht, lassen auf sich warten.
Auch die Residenzpflicht auf Stadt und Landkreis Augsburg steht massiv in der Kritik: „Wir können nicht einmal nach München oder in andere nahe Orte fahren, ohne dass wir eine Strafe riskieren. Ständig werden wir von der Polizei kontrolliert, ständig bekommen wir Bußgelder und Anzeigen, ohne dass wir etwas verbrochen haben“.
Voraussichtlich am 25.03.2010 soll im Sozialausschuss des Bayerischen Landtags über die Neuausrichtung der bayerischen Flüchtlingspolitik entschieden werden. Hans-Georg Eberl von der Karawane München sagt dazu: „Wir appellieren an die Landtagsabgeordneten, den Lagerzwang abzuschaffen, die Auszahlung von Bargeld anstelle von Sachleistungen festzulegen, die Residenzpflicht auf ganz Bayern auszuweiten, sich für die unbürokratische Erteilung von Arbeitserlaubnissen einzusetzen und damit eine längst überfällige Wende im Sinne der Menschenwürde von Flüchtlingen einzuläuten.“
Weitere Informationen zu den Essenspaketeboykotts finden Sie unter:
www.carava.net und www.fluechtlingsrat-bayern.de
Bilder aus Augsburg gibt es hier.