Archiv der Kategorie: Lagerland

Deutschland Lagerland, alles muss weg!

Ein Resümee der Lagerschlussverkaufstage vom 11.-14. Juni 2009

Ausführliche Berichte der einzelnen Tage auf der Lagerland-Kampagnenseite

Vier Tage lang protestierte das Netzwerk Deutschland Lagerland mit humorvollen und kämpferischen Aktionen gegen die Lagerunterbringung von Flüchtlingen und das Recht auf selbstbestimmtes Leben und Wohnen. Aus den Erfahrungen der Aktionstage lässt sich ein sehr positives Fazit ziehen: Der Aufwand lohnt sich!

Im Vorfeld der Aktionen mussten wir jedoch erst einmal eine böse Überraschung erleben: Auf Anweisung der Zentralen Rückführungsstelle Nord und gedeckt durch das bayerische Innenministerium verweigerten die Ausländerbehörden in Nordbayern den dort lebenden Flüchtlingen die Anreise nach München. Begründung: Eine Teilnahme an den Aktionen liege nicht im öffentlichen Interesse. 50 Personen allein aus Würzburg hatten sich für unsere Aktionen angemeldet und konnten nun nicht kommen. Weil sich die Flüchtlinge diese unverschämte Beschränkung ihrer Versammlungs- und Meinungsfreiheit nicht gefallen lassen wollten, organisierten sie kurzerhand eine eigene Demo – über 250 Menschen beteiligten sich daran.

Obwohl unsere FreundInnen aus Nordbayern fehlten, waren auch die Aktionen in München – vom Öffentlichen Hearing über das Rattentheater vorm Innenministerium bis zur bayernweiten Demonstration und dem antirassistischen Fußballturnier – sehr gut besucht. Bei der Demo am Samstag zählten wir über 500 Menschen! Die hohe Beteiligung von LagerbewohnerInnen an den Aktionen und an der parallel stattfindenden Demonstration in Würzburg zeigt uns: Die Flüchtlinge haben die Unterbringung in den Sammelunterkünften satt und sind bereit, für die Abschaffung des Lagerzwangs auf die Straße zu gehen! Weiterlesen

Meinungsfreiheit nicht für Flüchtlinge?

Residenzpflicht: Ausländerbehörden verbieten Flüchtlingen, an den Anti-LagerAktionstagen in München teilzunehmen.

“Wir sind 50 Leute und wollen zur Demonstration am 13.6. nach München kommen, aber die Ausländerbehörde gibt uns keine Erlaubnis”, berichtete ein Bewohner des Würzburger Flüchtlingslagers vergangene Woche am Telefon. Auch die BewohnerInnen des Flüchtlingslagers in Amberg berichten, dass sie nicht nach München fahren dürfen. Weiterlesen

Wir schließen alle Lager! Veranstaltungen am 27. und 29.Mai 2009

Vortrag und Filmbeiträge zu den Lagerschluss-Tagen 09

Mittwoch, 27. 05. 2009 ab 20.30 Uhr, Kafe Marat, Thalkirchnerstraße 104
Freitag, 29.05. ab 20.00 Uhr, Kulturladen Westend, Ligsalzstr. 44

In Bayern werden Flüchtlinge per Gesetz gezwungen, in Lagern zu leben. Die zwangsweise Unterbringung oll nach der bayerischen Durchführungsordnung Asyl die „Bereitschaft zur Rückkehr“ fördern. Lagerunterbringung bedeutet Entrechtung, Ausgrenzung und Isolation. Es gibt keine Privatsphäre, bis zu acht Personen müssen sich ein Zimmer teilen. Viele Flüchtlinge werden an unwirtliche Orte in der tiefsten bayerischen Provinz verbannt.

Flüchtlinge und antirassistische Gruppen kämpfen seit Jahren gegen die menschenunwürdigen Zustände und fordern die Abschaffung des Lagerzwangs. Seit Herbst 2008 hat sich einiges getan: Einige der schlimmsten Lager – zum Beispiel die Lager in der Waldmeisterstraße und der Rosenheimerstraße in München – wurden durch öffentlichen Druck geschlossen. Im kommenden Sommer entscheidet der Bayerische Landtag über die Zukunft der Unterbringung von Flüchtlingen.

Das bayernweite Netzwerk „Deutschland Lagerland“ ruft unter dem Motto „Lagerschlussverkauf“ vom 11. bis 14. Juni auf zu Anti-Lager-Aktionstagen in München. Das Ziel: Schließung aller Lager – freie Wohnortwahl, Bewegungsfreiheit und Recht auf menschenwürdiges Wohnen für Alle. Ohne faulen Kompromiss.

Mit einem Vortrag und Kurzfilmbeiträgen informieren wir über die aktuelle Debatte um die Abschaffung der Flüchtlingslager in Bayern und die Anti-Lager-Aktionstage im Juni.

Eine Mobilisierungsveranstaltung von „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen“ und Mittwochskafe (Mittwoch) bzw. dem Ökumenischen Büro und dem Kulturladen Westend (Freitag)

Anti-Lager-Aktionstage in München 11. bis 14. Juni 09

poster

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Die langjährigen Kämpfe von antirassistischen Zusammenhängen in Bayern waren nicht umsonst. Nach viel Druck durch Kampagnen und Aktionen kann der bayerische Landtag seit der Wahl 08 die Bedingungen in den Lagern nicht mehr ignorieren. Dass es zu einer Änderung des Gesetzes, das den Lagerzwang regelt, kommen wird, steht fest. Zu befürchten ist, dass es allerdings nur zu Detailverbesserungen kommen wird und der Lagerzwang nur für einzelne Gruppen, aber nicht generell, aufgehoben wird.

Es liegt an uns, wir wollen keine faulen Kompromisse! Wir wollen den ganzen Lagerzwang ein für alle Mal abschaffen!

When shall I have a normal life?

In Bayern werden 7600 Menschen per Gesetz gezwungen, in Lagern zu leben. Nach dem Gesetz soll die zwangsweise Unterbringung die „Bereitschaft zur Rückkehr“ fördern. In den Lagern gibt es keine Privatsphäre, bis zu 8 Personen müssen sich ein Zimmer teilen. Mitunter gibt es eine Toilette und eine Dusche für 20 Personen.

Die spärlichen Kochmöglichkeiten fallen fast nicht mehr auf, wenn der Blick auf die meistens verschimmelten Wände und verrotteten Rohre fällt.

Gezielte Isolierung und Kriminalisierung

Die Lager zeichnen sich oft durch ihre isolierte Lage aus. Mit 40,-€ Taschengeld sind Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu teuer.

Durch die Residenzpflicht, die den BewohnerInnen untersagt, den Landkreis zu verlassen, werden die Menschen kriminalisiert. Leute kommen ins Gefängnis oder werden abgeschoben, weil sie die Landkreisgrenze überschreiten. Menschen leben bis zu 18 Jahren in Lagern, oft in ständiger Angst vor Abschiebung. Duldung ist kein Aufenthaltsstatus; sie steht für „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“.

Arbeiten dürfen Geduldete nicht, allenfalls mit erheblichen Einschränkungen. Das Erlernen der deutschen Sprache wird nicht gefördert. Dadurch wird der Kontakt zur Außenwelt zusätzlich erschwert und eine Ohnmacht gegenüber den Behörden hergestellt.

Das Leben im Lager macht erwiesenermaßen physisch und psychisch krank. Durch all dies sollen Menschen zur „freiwilligen“ Ausreise gedrängt werden.

Während die Bewohner_innen der Flüchtlingslager in jedem Detail ihres Lebens reglementiert werden, stellen die Lager potenziell rechtsfreie Räume dar. Gerade Frauen und Kinder sind immer wieder Übergriffen durch Personal oder andere LagerbewohnerInnen ausgesetzt.

Das große Ganze

Die Aktionstage richten sich konkret gegen den bayerischen Lagerzwang. Dieser ist aber nur ein Aspekt globaler sozialer Ungleichheit. Die Diskriminierung von Frauen, MigrantInnen, Flüchtlingen und People of Color zieht sich durch alle Bereiche des alltäglichen Lebens und gehört noch längst nicht zur Geschichte.

Die Grenzabschottung der EU wird inzwischen bis weit nach Afrika und Asien verlagert. Dortige Regierungen werden gezwungen, im Interesse der EuropäerInnen ihre Grenzen dichtzumachen, Flüchtlinge in Internierungslager zu sperren und abzuschieben. Die inneren Grenzen drücken sich in Schleierfahndung, Datenspeicherung und Videoüberwachung aus. Menschen werden katalogisiert und mit Gewalt an der Einreise nach Deutschland gehindert.

Diejenigen, die schon in der BRD sind, werden durch Sondergesetze und Repressionsorgane drangsaliert und sind dem alltäglichen Rassismus ausgesetzt. Dadurch soll das Recht auf ein menschenwürdiges Leben einem kleinen Teil der Weltbevölkerung vorbehalten bleiben.

In einer gleichberechtigten Gesellschaft müssen Menschen als gleichberechtigt angesehen werden. Jede Person hat das Recht, selbst zu entscheiden, wo und wie sie leben will.

We are here and we will fight

Migration ist kein subjektloser Prozess. Flüchtlinge und MigrantInnen sind keine Opfer, sondern bewusst handelnde Individuen. In vielen Orten kämpfen Flüchtlinge und MigrantInnen erfolgreich für ihre Rechte. Dadurch konnten Abschiebungen verhindert und Lager geschlossen werden. Durch Proteste und Widerstand von LagerbewohnerInnen konnten die Machtspielräume und die Willkür von Lagerpersonal und Behörden in einigen Bereichen eingeschränkt werden.

Das Vermitteln der eigenen Situation und von gemeinsamen Forderungen in die Öffentlichkeit war dabei stets ein wichtiges Mittel, um eigene Ziele zu erreichen.

Unsere Forderungen

Es geht uns nicht um die Schließung einzelner Lager. Wir wollen die Abschaffung des Lagerzwangs! Alle Lager sind menschenunwürdig. Jeder Mensch hat das Recht, selber zu bestimmen, wo sie/er leben möchte.

Wir fordern deshalb

  • Abschaffung des Lagersystems – In Bayern und anderswo!
  • Freie Wahl des Wohnortes und Bewegungsfreiheit!
  • Recht auf würdevolles, selbstbestimmtes Leben!

Tag des offenen Lagers in Böbrach und Breitenberg

Zu viert starteten wir als Delegation der „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen“  am Freitag, 17. April zum „Tag des offenen Lagers“ in Böbrach und Breitenberg im Bayerischen Wald. Ziel dieser Aktion des bayernweiten Netzwerkes „Deutschland Lagerland“: Gemeinsam mit den Bewohner_innen der Flüchtlingslager den geladenen Journalist_innen und Landtagsabgeordneten die Realität des Lagerlebens plastisch vor Augen zu führen und damit Druck auf die anstehende Landtagsentscheidung zu machen, dass mit der menschenverachtenden Zwangsunterbringung von Flüchtlingen in Lagern endlich Schluss sein muss. Also auf in die tiefste niederbayerische Provinz!

Bericht in der „Passauer Neuen Presse“ vom 18.04.09:

http://www.fluechtlingsrat-bayern.de/pressebericht/items/fluechtlinge-im-wald.html

Bericht im Bayerwald vom 22.04.09:

Flüchtling in Böbrach: Abseits des normalen Lebens Weiterlesen

Nürnberg, 25.-27. Juli: Refugee Rights Conference in Nürnberg – ein hoffnungsvoller Schritt für ein Netzwerk von FlüchtlingsaktivistInnen

Bericht von Gerit Boekbinder, aktiv in der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen/ München

Knapp 80 Menschen waren bei der Refugee Rights Conference des „Deutschland Lagerland“-Netzwerks, die vom 25. bis 27. Juli auf der Burg in Nürnberg stattgefunden hat. Weiterlesen

Refugee Rights Conference

25. – 27. Juli 2008 in Nürnberg

Wir laden euch ein zur Refugee-Rights-Conferenz in Nürnberg vom 25. bis zum 27. Juli 2008. Ziel der Konferenz ist der Austausch über die Situation in Flüchtlingslagern und über die Kämpfe und Erfolge von Flüchtlingen, sowie eine Vernetzung und Organisierung. In Praxisworkshops werden Strategien erarbeitet um gegen Missstände in den Lagern und gegen Abschiebungen zu kämpfen.

Artikel in der Abendzeitung

Die Karawane München beteiligt sich ja zur Zeit an der Aktion Flüchtlinge. Jetzt ist, passend zum Thema, und vielleicht auch aus aktuellem Anlass, ein sehr langer Artikel in der Abendzeitung erschienen.

Die Wut unter den Flüchtlingen ist groß. „Deutschland predigt täglich, dass China oder Birma die Menschenrechte einhalten sollen. Aber tatsächlich gibt es hier keine Menschenrechte“, kritisiert Uche Akpulu vom bayerischen Flüchtlingsrat. Der 41-jährige Nigerianer floh vor vier Jahren aus Nigeria nach Deutschland, weil er in seinem Heimatland verfolgt wurde. Bis zum vergangenen Jahr lebte er in einer Gemeinschaftsunterkunft. Als er als Flüchtling anerkannt wurde, zog er sofort aus. Über das Leben im Container sagt er: „Es ist zermürbend. Viele Flüchtlinge werden krank – psychisch und physisch. Manche werden zu Alkoholikern. Die Unterkünfte werden eingerichtet, um die Menschen zu isolieren. Man fühlt sich wie ein Gefängnis-Insasse.

Hier der ganze Artikel.

Die unendliche Unmenschlichkeit des Seins – Lagerschließungen in München

Seit einem Jahr hat die Regierung von Oberbayern beschlossen, drei so genannte Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge in München zu schließen. Aber offensichtlich fand es die Verwaltung unnötig, die betroffenen Bewohner davon zeitig zu unterrichten. Uche Akpulu, der seit fast vier Jahren im Lager an der Emma-Ihrer Straße wohnt, und Sunny Ebilueye, der dort noch länger lebt – beide stammen aus Nigeria – bekamen ein Fax mit der Aufforderung, innerhalb einer Woche in eine Unterkunft in der Messestadt Riem umzuziehen. Vorab hatten sie nur durch den Hausmeister informell erfahren, dass sie bald umziehen müssten, weil ihr Lager Ende September geräumt sein müsse. Weiterlesen

Nachtrag zu den Lagerschließungen

Aufforderung zum Umzug durch die Regierung von Oberbayern

Wir haben letzte Woche ja den respektlosen Umgang der Regierung von Oberbayern in Bezug auf Lagerschließungen publik gemacht. Nun haben wir auch noch einen der Briefe erhalten, in dem die Bewohner auf die bevorstehende Schließung ihrer GU aufmerksam gemacht werden. Sie wurden am 17. September verschickt, teilweise erst zwei Tage später vom Hausmeister ausgehändigt und schreiben vor, am 24. September die GU in der Emma-Ihrer-Straße verlassen zu haben. Viel Zeit, einen Umzug zu organisieren, zumal die Hausmeister sich anscheinend nicht zuständig fühlen, den Flüchtlingen zu helfen. In der Emma-Ihrer-Straße wohnen Familien, die zum Teil schon seit 10 Jahre dort leben.

Mittlerweile gab es schon zwei Artikel in der Süddeutschen Zeitung (Drei Asylunterkünfte schließen & Regierung weist Vorwürfe zurück) sowie eine Anfrage der Grünen im Stadtrat. Wir bleiben natürlich dran und werden auch einige Flüchtlinge beim Umzug unterstützen.

Nachtrag 2: Noch ein Artikel in der Süddeutschen: „Muss man uns das Leben noch schwerer machen?“