Die Karawane München stellt klar: Wir haben die Flüchtlinge in Hauzenberg und Breitenberg nicht zum Hungerstreik aufgerufen. In der Karawane arbeiten Flüchtlinge, MigrantInnen und Deutsche gleichberechtigt zusammen, eines unserer Ziele ist es, gezielt die Selbstorganisation von Flüchtlingen zu bestärken und ihren Forderungen in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Deswegen unterstützen wir den Hungerstreik durch Pressearbeit.
Die Flüchtlinge wissen sehr genau, was sie wollen – ihnen etwas „einzureden“, wie es die Politik und die SZ unterstellen, wäre nicht möglich. Schon gar nicht eine Aktion wie den Hungerstreik, mit dem sie ihren eigenen Körper zur Waffe im Kampf um menschenwürdige Lebensbedingungen machen.
Aufruf der hungerstreikenden Flüchtlinge aus Hauzenberg an die Lager in Bayern
Mit dieser Botschaft wollen wir die Lager (Asylunterkünfte) in Bayern informieren und auffordern, die Essenspakete zu boykottieren und den Hungerstreik zu erklären, denn wir wollen so behandelt werden wie andere Asylsuchende in anderen Städten und Bundesländern in Deutschland (zum Beispiel in Duisburg und Dortmund…).
Wir wollen Bewegungsfreiheit in ganz Bayern
Wir wollen das Recht auf Arbeit
Wir wollen keine Pakete mehr. Wir wollen Bargeld, damit alle das kaufen können, was sie wollen. Denn die 40 Euro sind einigen unserer Bedürfnisse nicht angemessen
Die Flüchtlinge im Hungerstreik aus Hauzenberg / Landkreis Passau
Hier noch das französische Original und eine englische Übersetzung
Rund 20 Flüchtlinge in den beiden Flüchtlingslagern Hauzenberg und Breitenberg im Landkreis Passau, Niederbayern, befanden sich vom 26. Januar bis 15. Februar im Hungerstreik. Die zentralen Forderungen der streikenden Flüchtlinge sind:
Recht auf Arbeit
Bewegungsfreiheit innerhalb Bayerns statt Landkreisbeschränkung auf Landkreis Passau
Die Presse hat angefangen, über die Streiks zu berichten. Die Süddeutsche Zeitung kontextualisiert den Streik im Bayernteil:
Seit langer Zeit beklagen auch verschiedene Parteien und Hilfsorganisationen den Umgang mit Flüchtlingen. Die sogenannte „Residenzpflicht“ wird ebenso wie der Sinn von Sammelunterkünften und die Vergabe von Arbeitsgenehmigungen immer wieder im bayerischen Landtag diskutiert. Im vergangenen Jahr hatte es darum auch innerhalb der Landesregierung Streit gegeben.
Weiter wird berichtet, dass die Regierung von Niederbayern die Praxis der Aufhebung der Residenzpflicht prüfen wolle.
Eine Delegation der „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen“ besuchte am 31. Januar die Flüchtlingslager in Hauzenberg und Breitenberg in der tiefsten niederbayerischen Provinz. Zehn Bewohner des Lagers in Hauzenberg sind seit 26. Januar im unbefristeten Hungerstreik. In Breitenberg wird parallel dazu die Annahme der Essenspakete boykottiert. In beiden Lagern sind die Streikenden fest entschlossen, weiterzukämpfen.
In Hauzenberg wurden als zentrale Forderungen unbeschränktes Recht auf Arbeit nach einem Jahr Aufenthalt in Deutschland, Bewegungsfreiheit in ganz Bayern und nicht nur im Landkreis Passau und die Auszahlung von Bargeld anstelle von Essenspaketen präsentiert. Nachdrücklich schilderten mehrere der Streikenden ihre frustrierenden Erfahrungen mit dem „nachrangigen“ Zugang zum Arbeitsmarkt: Für einen Job, für den die Firma „ab sofort“ eine Arbeitskraft sucht, müssen sie erst einen Antrag auf Arbeitserlaubnis stellen, der wochenlang geprüft wird. In der Zwischenzeit wird oft ein/e deutsch/er Staatsbürger/in auf die Stelle vermittelt, die Flüchtlinge, die den Job ausfindig gemacht haben, gehen leer aus.
Einem Mann aus Afghanistan verweigert die Passauer Ausländerbehörde regelmäßig die Arbeitserlaubnis, weil er angeblich nicht ausreichend an der Herkunftsfeststellung und Passbeschaffung zum Zweck der eigenen Abschiebung mitwirkt. Insgesamt ist das Landratsamt Passau bei den Flüchtlingen für die exzessive Anwendung faktischer Arbeitsverbote als Druckmittel berüchtigt. Durch fehlenden Zugang zu Arbeit in Kombination mit der Beschränkung der Bewegungsfreiheit auf den Landkreis Passau durch „Residenzpflicht“ fühlen sich die Flüchtlinge wie in einem Gefängnis. Für eine „Reiseerlaubnis“ zum Verlassen des Landkreises müssen sie jedes Mal zehn Euro von ihren nur 40 Euro monatlichem „Taschengeld“ zahlen. Wer vom Grundrecht auf Bewegungsfreiheit Gebrauch macht, ohne sich dieser entwürdigenden Prozedur zu unterziehen oder zu lange weg bleibt, riskiert, bei einer der vielen rassistischen Polizeikontrollen eine Strafe zu kassieren. Viele der LagerbewohnerInnen, die ohnehin kein Geld haben, stecken dadurch in einem Teufelskreis zunehmender Verschuldung. Großen Unmut äußern die Streikenden auch über die Mangelversorgung mit Essenspaketen: Säfte, die überhaupt nicht schmecken, und andere Produkte schlechtester Qualität, oft nahe am Verfallsdatum oder schon drüber. Einige stellen sich die Frage, welche Firmen sich denn am Handel mit dem ungenießbaren Zeug, das den Flüchtlingen aufgezwungen wird, eine goldene Nase verdienen.
Bei den Hungerstreikenden in Hauzenberg spürt man eindringlich sowohl den wild entschlossenen Kampfgeist als auch die zunehmende körperliche Entkräftung durch das Verweigern jeglicher fester Nahrung. Für einen Beteiligten wurde bereits ein Notarzt konsultiert, der ihm geraten hat, sofort ins Krankenhaus zu gehen. Der Mann verweigerte dies, weil er nicht aufhören will, zu streiken. Umso dringender tut es Not, dass zum einen schnellsten eine medizinische Begleitung des Hungerstreiks bereitgestellt wird und dass die verantwortlichen Behörden auf die Forderungen eingehen.
Die Flüchtlinge in Breitenberg gehen zwar, zumindest jetzt, nicht so weit, dass sie überhaupt nichts mehr essen, doch am Boykott der Essenspaketannahme beteiligt sich hier die Mehrzahl all derjenigen, die sich im Lager aufhalten. Sie erheben die gleichen Forderungen wie die Hungerstreikenden in Hauzenberg. Darüber hinaus fordern sie als zentrales Anliegen die Beendigung der Isolation im hintersten Eck der bayerischen Provinz, an einem Ort, der keinerlei Möglichkeiten für Bildung, Arbeit und sonstige persönliche Entfaltung zulässt. Großen Unmut äußern sie auch darüber, dass sie sich für jeden Behördengang, jede Verlängerung der Duldung oder der Aufenthaltsgestattung nach Passau begeben und die Fahrt dorthin von ihrem mickrigen Taschengeld bestreiten müssen. Außerdem fordern sie die Beendigung der erzwungenen Lagerunterbringung – zu einem denkbar günstig gewählten Zeitpunkt: In der nächsten Zeit wird der bayerische Landtag über die Zukunft der Unterbringung von Flüchtlingen entscheiden. Last but not least beklagen sie, dass sie in dem undurchsichtigen Paragraphendschungel, durch den sie sich als Asylsuchende durchkämpfen müssen, kaum brauchbare Informationen über ihre rechtlichen Bedingungen und Möglichkeiten bekommen. Ausdrücklich verwahren sich die Streikenden in Breitenberg gegen Versuche der Lagerverwaltung, einzelne Beteiligte als „Rädelsführer“ der Aktion hinzustellen und betonen dagegen den kollektiven Charakter der Aktion, bei der sie alle mit einer Stimme sprechen.
Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen wird, zusammen mit lokalen UnterstützerInnen aus der Region Passau, ihr Bestes dafür tun, damit der Flüchtlingsstreik alle öffentliche Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient und maximalstmöglichen Druck gegen das Landratsamt Passau und gegen die bayerische Flüchtlingspolitik entfalten kann.