Die Streiks gehen weiter. Wir haben nach dem Besuch am Sonntag mit einer Presseerklärung reagiert. Mittlerweile kommt Bewegung in die Sache.
Pressemitteilung zu den Streiks
Gemeinsame Pressemitteilung der Karawane München und des Bayerischen Flüchtlingsrats vom 01.02.2010
Flüchtlinge im Hungerstreik: Seit einer Woche protestieren Flüchtlinge in Niederbayern mit einem Hungerstreik gegen ihre schlechten Lebensbedingungen
Karawane-Delegation besucht Lager in Hauzenberg und Breitenberg
Eine Delegation der „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen“ besuchte am 31. Januar die Flüchtlingslager in Hauzenberg und Breitenberg in der tiefsten niederbayerischen Provinz. Zehn Bewohner des Lagers in Hauzenberg sind seit 26. Januar im unbefristeten Hungerstreik. In Breitenberg wird parallel dazu die Annahme der Essenspakete boykottiert. In beiden Lagern sind die Streikenden fest entschlossen, weiterzukämpfen.
In Hauzenberg wurden als zentrale Forderungen unbeschränktes Recht auf Arbeit nach einem Jahr Aufenthalt in Deutschland, Bewegungsfreiheit in ganz Bayern und nicht nur im Landkreis Passau und die Auszahlung von Bargeld anstelle von Essenspaketen präsentiert. Nachdrücklich schilderten mehrere der Streikenden ihre frustrierenden Erfahrungen mit dem „nachrangigen“ Zugang zum Arbeitsmarkt: Für einen Job, für den die Firma „ab sofort“ eine Arbeitskraft sucht, müssen sie erst einen Antrag auf Arbeitserlaubnis stellen, der wochenlang geprüft wird. In der Zwischenzeit wird oft ein/e deutsch/er Staatsbürger/in auf die Stelle vermittelt, die Flüchtlinge, die den Job ausfindig gemacht haben, gehen leer aus.
Einem Mann aus Afghanistan verweigert die Passauer Ausländerbehörde regelmäßig die Arbeitserlaubnis, weil er angeblich nicht ausreichend an der Herkunftsfeststellung und Passbeschaffung zum Zweck der eigenen Abschiebung mitwirkt. Insgesamt ist das Landratsamt Passau bei den Flüchtlingen für die exzessive Anwendung faktischer Arbeitsverbote als Druckmittel berüchtigt. Durch fehlenden Zugang zu Arbeit in Kombination mit der Beschränkung der Bewegungsfreiheit auf den Landkreis Passau durch „Residenzpflicht“ fühlen sich die Flüchtlinge wie in einem Gefängnis. Für eine „Reiseerlaubnis“ zum Verlassen des Landkreises müssen sie jedes Mal zehn Euro von ihren nur 40 Euro monatlichem „Taschengeld“ zahlen. Wer vom Grundrecht auf Bewegungsfreiheit Gebrauch macht, ohne sich dieser entwürdigenden Prozedur zu unterziehen oder zu lange weg bleibt, riskiert, bei einer der vielen rassistischen Polizeikontrollen eine Strafe zu kassieren. Viele der LagerbewohnerInnen, die ohnehin kein Geld haben, stecken dadurch in einem Teufelskreis zunehmender Verschuldung. Großen Unmut äußern die Streikenden auch über die Mangelversorgung mit Essenspaketen: Säfte, die überhaupt nicht schmecken, und andere Produkte schlechtester Qualität, oft nahe am Verfallsdatum oder schon drüber. Einige stellen sich die Frage, welche Firmen sich denn am Handel mit dem ungenießbaren Zeug, das den Flüchtlingen aufgezwungen wird, eine goldene Nase verdienen.
Bei den Hungerstreikenden in Hauzenberg spürt man eindringlich sowohl den wild entschlossenen Kampfgeist als auch die zunehmende körperliche Entkräftung durch das Verweigern jeglicher fester Nahrung. Für einen Beteiligten wurde bereits ein Notarzt konsultiert, der ihm geraten hat, sofort ins Krankenhaus zu gehen. Der Mann verweigerte dies, weil er nicht aufhören will, zu streiken. Umso dringender tut es Not, dass zum einen schnellsten eine medizinische Begleitung des Hungerstreiks bereitgestellt wird und dass die verantwortlichen Behörden auf die Forderungen eingehen.
Die Flüchtlinge in Breitenberg gehen zwar, zumindest jetzt, nicht so weit, dass sie überhaupt nichts mehr essen, doch am Boykott der Essenspaketannahme beteiligt sich hier die Mehrzahl all derjenigen, die sich im Lager aufhalten. Sie erheben die gleichen Forderungen wie die Hungerstreikenden in Hauzenberg. Darüber hinaus fordern sie als zentrales Anliegen die Beendigung der Isolation im hintersten Eck der bayerischen Provinz, an einem Ort, der keinerlei Möglichkeiten für Bildung, Arbeit und sonstige persönliche Entfaltung zulässt. Großen Unmut äußern sie auch darüber, dass sie sich für jeden Behördengang, jede Verlängerung der Duldung oder der Aufenthaltsgestattung nach Passau begeben und die Fahrt dorthin von ihrem mickrigen Taschengeld bestreiten müssen. Außerdem fordern sie die Beendigung der erzwungenen Lagerunterbringung – zu einem denkbar günstig gewählten Zeitpunkt: In der nächsten Zeit wird der bayerische Landtag über die Zukunft der Unterbringung von Flüchtlingen entscheiden. Last but not least beklagen sie, dass sie in dem undurchsichtigen Paragraphendschungel, durch den sie sich als Asylsuchende durchkämpfen müssen, kaum brauchbare Informationen über ihre rechtlichen Bedingungen und Möglichkeiten bekommen. Ausdrücklich verwahren sich die Streikenden in Breitenberg gegen Versuche der Lagerverwaltung, einzelne Beteiligte als „Rädelsführer“ der Aktion hinzustellen und betonen dagegen den kollektiven Charakter der Aktion, bei der sie alle mit einer Stimme sprechen.
Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen wird, zusammen mit lokalen UnterstützerInnen aus der Region Passau, ihr Bestes dafür tun, damit der Flüchtlingsstreik alle öffentliche Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient und maximalstmöglichen Druck gegen das Landratsamt Passau und gegen die bayerische Flüchtlingspolitik entfalten kann.
Hauzenberg und Breitenberg: Flüchtlinge boykottieren Essenspakete und treten in unbefristeten Hungerstreik!
Seit Dienstag, dem 26. Januar 2010 boykottieren mehr als 25 BewohnerInnen der Flüchtlingslager in Hauzenberg und Breitenberg/Niederbayern, Landkreis Passau, die Annahme der Essenspakete, die sie anstelle von Bargeld als minderwertige Verpflegung bekommen. 11 Flüchtlinge in Hauzenberg sind darüber hinaus in unbefristeten Hungerstreik getreten, sie verweigern die Aufnahme fester Nahrung und nehmen lediglich Wasser und Tee zu sich.
Die zentralen Forderungen der streikenden Flüchtlinge sind:
- Recht auf Arbeit
- Bewegungsfreiheit innerhalb Bayerns statt Landkreisbeschränkung auf Landkreis Passau
- Bargeld statt Essenspaketen
Innenausschuss: Syrien-Abschiebungen werden fortgesetzt
Heute hat der Innenausschuss des deutschen Bundestages eine dramatische Entscheidung gefällt: Das Abschiebe-Abkommen mit Syrien wird nicht außer Kraft gesetzt – SPD, Grüne und Linke hatten angesichts mehrerer Inhaftierungen von Abgeschobenen und dokumentierter Folterfälle einen Abschiebestopp gefordert. Damit leben 7.000 SyrerInnen in Deutschland weiterhin in Angst. Sie sind als geduldete Flüchtlinge von dem „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Arabischen Republik Syrien über die Rückführung von illegal aufhältigen Personen“ betroffen – dem ersten Abschiebeabkommen mit einem dezidierten Folterstaat. Über den Verbleib von Abgeschoben verweigert die Syrische Seite bislang jede Auskunft, wie aus einem internen Dokument des Auswärtigen Amtes hervorgeht, das dem Bayerischen Flüchtlingsrat vorliegt.
Um der Forderung nach Kündigung des Rücknahmeabkommes Nachdruck zu verleihen, hatten sich mehrere politische Gruppen, darunter die Karawane München, vor dem Paul-Löbe-Haus in Berlin (in dem der Innenausschuss tagte) zu einer Kundgebung und Theaterperformance versammelt. Insgesamt nahmen knapp 100 Personen an der Protestveranstaltung teil.
Fotos von der Theaterdarstellung:
Syrien-Kamapgne goes Berlin
Stoppt die Abschiebungen nach Syrien – weg mit dem deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommen!
Berlin: Mittwoch, 27. Januar, 10 Uhr
Kundgebung mit PR-Straßenperformance anlässlich der Sitzung des Bundestags-Innenausschusses
Paul-Löbe-Haus (Rückseite), Nähe U-Bahn Bundestag,
Otto von Bismarck Allee / Ecke Konrad-Adenauer Straße
Vorbereitungstreffen und Probe am Vorabend der Aktion: Dienstag, 26. Januar, 19 Uhr, im BBZ (Betreuungs- und Beratungszentrum für junge Flüchtlinge und MigrantInnen), Turmstraße 72, Berlin/Tiergarten (Nähe U-Bahnhaltestelle U9/Turmstraße)
Anfang 2009 ist ein Rückübernahmeabkommen zur Abschiebung von Flüchtlingen nach Syrien zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der arabischen Republik Syrien in Kraft getreten. 7000 „Geduldeten“ droht durch dieses Abkommen die Abschiebung. Das ist möglich, obwohl abgeschobenen Flüchtlingen in Syrien Haft und Folter drohen und selbst vom Auswärtigen Amt und bundesdeutschen Gerichten massive Menschenrechtsverletzungen bestätigt werden. Mindestens drei Abschiebungen nach Syrien, die durch das neue Abkommen ermöglicht wurden, endeten damit, dass die Abgeschobenen am Flughafen sofort verhaftet wurden.
Gegen dieses skandalöse Abschiebe-Abkommen müssen wir uns wehren! Es dürfen keine weiteren Abschiebungen nach Syrien stattfinden!
Aufgrund des Drucks durch Proteste von syrischen Exilgruppen und von Menschenrechtsorganisationen hat das Bundesinnenministerium nun das Bundesamt für Migration und Flucht gebeten, vorläufig keine Asylanträge von SyrerInnen als “offensichtlich unbegründet” abzulehnen und Entscheidungen über Asylfolgeanträge syrischer Asylsuchender vorerst auf Eis zu legen. Dennoch: Es gibt bislang keinen Abschiebestopp für syrische Flüchtlinge! Für die Betroffenen bedeutet dies auch weiterhin keine Sicherheit und belässt sie in dem unsäglichen Zustand der Angst!
Am 27. Januar wird sich der Innenausschuss des Bundestages auf Initiative von Abgeordneten der Linkspartei und der Grünen mit der Forderung nach sofortigem Abschiebestopp für syrische Flüchtlinge und Kündigung des Rückübernahmeabkommens befassen. Mit einer pressewirksamen Kundgebung mit Straßenperformance am gleichen Tag wollen wir dieser Forderung Nachdruck verleihen und Druck auf den Innenausschuss und die Bundestagsabgeordneten ausüben.
Beteiligt euch am 27. Januar an der Aktion gegen Abschiebungen nach Syrien!
Kommt am 26. Januar zum Vorbereitungstreffen!
Syrien-Abschiebungen jetzt stoppen!
Am nächsten Mittwoch (27.01.) wird im Innenausschuss und Menschenrechtsausschuss des Bundestages über die Syrien-Abschiebungen beraten. Trotz anderlautender Medienberichte ist das skandalöse Rückübernahmeabkommen mit dem Folterstaat in Kraft – 7000 Menschen sind weiterhin von der Abschiebung bedroht. Nachdem bekannt wurde, dass mehrere Menschen nach der Abschiebung verhaftet wurden, kommt die Politik ins Rudern. nun gibt es die Chance, die Syrien-Abschiebungen endgültig zu stoppen.
Per E-Mail Kampagne und mit einer Aktion in Berlin am 27.01. wollen wir den nötigen Druck auf die Ausschussmitglieder aufbauen. Wir haben eine Textvorlage erstellt, die ihr einfach per Email an alle Mitglieder der Ausschüße senden könnt. Eine Liste der Emailadressen stellen wir ebenso bereit.
Immer noch kein Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Syrien!
In der Süddeutschen Zeitung wurde am 29. Dezember 2009 folgende Meldung verbeitet:
Abschiebungen nach Syrien gestoppt – Flüchtlinge dürfen in Deutschland bleiben, weil ihnen im Heimatland Willkür droht.
Leider ist diese Information unpräzise und irreführend. Wir wollen die Angabe aus der Süddeutschen Zeitung korrigieren und der Verbreitung falscher Fakten unter syrischen Flüchtlingen vorbeugen.
Fakt ist: Es gibt bislang keinen rechtlich verbindlichen Abschiebestopp für Migrant/innen und Flüchtlinge aus
Syrien!
Was stimmt:
- Wegen der Berichte über Inhaftierungen in Syrien nach der Abschiebung will das Bundesinnenministerium vom Auswärtigen Amt einen neuen Lagebericht zur Situation in Syrien.
- Das Bundesinnenministerium „bittet“ das Bundesamt, vorläufig keine Asylanträge von SyrerInnen als „offensichtlich unbegründet“ abzulehnen und mit Entscheidungen über Asylfolgeanträge von Syrer/innen zu warten, bis es einen neuen Syrien-Lagebericht vom Auswärtigen Amt gibt. Das verbessert die Möglichkeiten für syrische Flüchtlinge, rechtliche Mittel gegen eine Abschiebung einzulegen, ist aber noch KEIN genereller Abschiebestopp!
- Das Innenministerium von Schleswig-Holstein fordert von den Ausländerbehörden innerhalb von Schleswig-Holstein, geplante Abschiebungen nach Syrien vorher zu melden und den Betroffenen die Möglichkeit zu lassen, Asylanträge, bzw. Asylfolgeanträge zu stellen. Andere Bundesländer haben nach unserem Informationsstand bisher keine Schritte unternommen, um Abschiebungen nach Syrien auszusetzen!
- Am 5. Januar versuchte das Landratsamt Wesermarsch/Niedersachsen, einen Flüchtling nach Syrien abzuschieben. Zum Glück konnte die Abschiebung durch einen Asylfolgeantrag in letzter Minute verhindert werden.
- Menschen, die akut von einer Abschiebung nach Syrien bedroht sind, sollten jetzt, in Absprache mit Anwälten/-innen und Unterstützer/innen, Asylfolgeanträge stellen. Dies verbessert – zumindest vorläufig – den Schutz vor einer Abschiebung nach Syrien!
Wir fordern weiterhin von den deutschen Behörden:
- Sofortiger Stopp aller Abschiebungen nach Syrien!
- Sofortige Aufhebung des deutsch-syrischen Abschiebe-Rückübernahmeabkommens!
- Unbeschränktes Bleiberecht für Alle statt unsicherem Duldungsstatus!
Veranstaltung zur Situation in Calais
Mittwoch, 13. Januar 2010, 19.30 Uhr
im Bayerischen Flüchtlingsrat, Augsburger Straße 13, München.
In Calais, Frankreich, leben derzeit einige hundert MigrantInnen ohne Papiere auf der Straße und in den Dünen.
Sie versuchen, unerlaubt über den Ärmelkanal zu kommen und so dem Wunsch nach einem besseren Leben näher zu kommen.
In Calais hängen sie oft monatelang fest und sind wachsender Polizeirepression ausgesetzt. Sie müssen sich nicht nur vor brachialer Gewalt in Acht nehmen, sondern auch weitere Praktiken des europäischen Migrationsregimes – wie die europaweite Datenbank für Fingerabdrücke (EURODAC), Wärmekameras, Ab- und Rückschiebungen, stetige Kontrollen und kurzzeitige Festnahmen etc – überwinden. Die europäische Migrationspolitik zeigt hier, ähnlich wie an allen inneren und äußeren Grenzen Europas, ihre organisierte Menschenverachtung.
Seit dem No Border Camp in Calais im Juni 09 gibt es eine stetige Präsenz von politischen AktivistInnen vor Ort. Vereint durch die politische Forderung der Bewegungsfreiheit versuchen sie, den MigrantInnen bei Seite zu stehen, den Repressionen entgegenzutreten und die öffentliche Berichterstattung um ihre Perspektive zu erweitern.
Wir wollen über die Situation und ihre politischen Zusammenhänge (z.B. Dublin II) informieren, über unsere eigenen Erfahrungen als Aktivistinnen in Calais berichten und die politischen Handlungsmöglichkeiten auf lokaler und europaweiter Ebene diskutieren.
Filme, Fotos, Workshop, Vortrag und Diskussionen erwarten Euch.