Tag 21: Hungerstreik ausgesetzt – ab jetzt Essenspaketeboykott

Nach ihrem fast drei Wochen andauernden Hungerstreik haben sich die Flüchtlinge in den niederbayerischen Lagern in Hauzenberg und Breitenberg am Sonntagabend dazu entschlossen, ihren Hungerstreik vorerst auszusetzen. Gleichzeitig fahren sie fort, die Essenspakete zu boykottieren. „Wir haben in den letzten Tagen gesehen, dass unsere Forderungen nach Bewegungsfreiheit in ganz Bayern, Bargeld statt Essenspaketen und dem Recht auf Arbeit von vielen Seiten unterstützt werden. Die Behörden und die bayerische Regierung wissen über unsere Probleme Bescheid. Wir haben ein Zeichen gesetzt – jetzt wollen wir ein positives Ergebnis sehen“, sagt Kabamba Ban Ibanda aus dem Lager in Hauzenberg, wo der Protest vor 20 Tagen begonnen hatte. „Obwohl wir den Hungerstreik aussetzen, verweigern wir weiter die Essenspakete. Denn wir brauchen eine wirkliche Veränderung. Wir können nicht unter den Bedingungen weiterleben, die man uns hier im Lager an diesem Ort zumutet“, fügt ein junger Mann aus Breitenberg hinzu, der von Anfang an am Hungerstreik beteiligt war.

Solidarität mit streikenden Flüchtlingen wächst

In der vergangenen Woche haben zahlreiche politische Parteien und Organisationen, darunter die Landesverbände von Bündnis90/Die Grünen und der Linkspartei, Teile der SPD-Landtagsfraktion, die jungen Liberalen, die bayerische Bezirkskonferenz des DGB, die Ver.di-Jugend München, sowie mehrere Bundestagsabgeordnete der Linken die Anliegen der streikenden Flüchtlinge unterstützt. Sie verlangen von der bayerischen Landesregierung, deren Forderungen zu erfüllen und ihre rigide Asylpolitik endlich zu ändern. Am vergangenen Freitag hatte das örtliche Bündnis für die Rechte der Flüchtlinge in Passau eine Demonstration zur Unterstützung der Hungerstreikenden vor der dortigen Ausländerbehörde organisiert.

CSU bleibt stur

Gleichzeitig verweigert sich die bayerische Landesregierung bislang jeglicher Art von Verbesserung der Lebensverhältnisse, obwohl Bundesländer wie Brandenburg beispielsweise seit langem Bargeld an die dort untergebrachten Flüchtlinge ausgeben. „Die vielen Solidaritätsbekundungen der letzten Tage sowie die heftigen Reaktionen auf das kürzlich von der CSU-Landtagsfraktion vorgelegte Positionspapier zur Asylpolitik in Bayern haben deutlich gezeigt, dass die bayerische CSU krampfhaft versucht, an ihrem mittelalterlichen Kurs festzuhalten. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann und der Regierungspräsident von Niederbayern Heinz Grunwald sollten sich lieber einer konstruktiven Debatte stellen, statt weiterhin mit Wirtshausparolen und falschen Mutmaßungen jeglichen Fortschritt zu blockieren“, kritisiert die Karawane München die fehlende Bereitschaft, auf die Forderungen der streikenden Flüchtlinge einzugehen.

Ein breites Bündnis verschiedener Gruppen aus Passau und München wird nun für die Zeit des Essenspaketeboykotts versuchen, eine Notversorgung der Flüchtlinge zu gewährleisten.

Die Streikenden in Hauzenberg und Breitenberg zeigen sich einstweilen optimistisch, dass sich ihr Protest gegen unerträgliche Lebensbedingungen verbreitert. „Wir wissen, dass die Flüchtlinge in anderen Lagern unseren Hungerstreik und unsere neue Strategie des fortgesetzten Essenspaketboykotts genau mitverfolgen und uns dabei unterstützen wollen“, erklärt Kabamba Ban Ibanda aus Hauzenberg.

Tag 16: Es geht wieder um die Forderungen

Über das Wochenende und die letzten Tage wurde vor allem die Frage diskutiert wurde, ob es ein „echter“ Hungerstreik ist und wer das initiiert hat. Mittlerweile ist es wohl klar: Ja, es wird hungergestreikt, und Ja, Flüchtlinge sind mündige Menschen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und für ihre Rechte kämpfen. In der heutigen taz wird zwar der niederbayerische Regierungspräsident Heinz Grunwald mal wieder anders zitiert (er spricht davon, dass es „zahlreiche ‚Indizien'“ für ein Einwirken von außen gebe), aber die Mühe, seine Vorwürfe zu substantiieren, hat er sich noch nicht gemacht. Das fällt dann wohl in die Kategorie „Hauptsache vom Problem ablenken“ und zeigt noch einmal, dass die Regierung von Niederbayern nicht ernsthaft gewillt ist, sich mit den Forderungen der Flüchtlinge konstruktiv auseinanderzusetzen.

Der Evangelische Presseverband hat sich stattdessen lieber mit der eigentlichen Problematik auseinandergesetzt und die verschiedenen Positionen herausgearbeitet. Dabei zeigt sich das alte Bild. Die Hardliner im Innenministerium sind nicht gewillt, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. So sagte Innenminister Herrmann in der PNP:

Ich halte die Forderungen für insgesamt überzogen

und legte später nocheinmal nach:

Es gebe keinen Anlass, Asylbewerber „wie in einem guten bayerischen Gasthof“ unterzubringen.

Doch sogar in der CSU gibt es andere Positionen:

Während Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Hungerstreik und die Forderungen […] überzogen nannte, zeigte Haderthauer [bay. Sozialministerin – carava.net] Verständnis. „Es war mir von Anfang an ein Anliegen, Bewegung in die Asylsozialpolitik des Freistaats zu bringen“.

Währenddessen kommt der Hungerstreik auch im Kontext der seit eineinhalb Jahren geführten Debatte über die Lagerunterbringung von Flüchtlingen an (alle Zitate EPV):

Unterstützung kommt auch von der Caritas. Deren Direktor Hans Lindenberger nahm kein Blatt vor den Mund: „Die CSU will die seit Jahren menschenunwürdige Unterbringungsstrategie nahezu unverändert beibehalten“. Leidtragende seien vor allem Kinder, die extremer Enge und einem dauerhaften Lärmpegel in den Lagern ausgesetzt seien. Berufstätige fänden dort keinen Schlaf. Die Caritas plädierte für einen auf zwei Jahre begrenzten Aufenthalt in den Gemeinschaftsunterkünften. Lindenberger: „Ich bin überrascht, dass die FDP den christlichen und sozialen Werten näher zu stehen scheint als die CSU“.

Wie schwer sich die CSU mit Zugeständnissen im Sinne der Asylbewerber tut, hat vor allem die Vorsitzende des Sozialausschusses im Parlament, Brigitte Meyer (FDP) beobachten können. Die Liberale, die das Thema schon vor einem Jahr auf die Tagesordnung brachte, sagte dem epd: „Wir liegen im Moment noch weit auseinander“. Meyer will die von den Wohlfahrtsverbänden heftig kritisierte Unterbringungsfrage Ende März erneut auf die Tagesordnung setzen.

Im Sinne des Wohls der Flüchtlinge ist nur zu hoffen, dass sich endlich etwas bewegt in Bayern. Seit langem schon steht die bayerische Asylpolitik in der Kritik, nun muss sich etwas grundlegend ändern.

Pressemitteilung 10.2.2010

16 Flüchtlinge weiter im Hungerstreik – Demonstration in Passau

In den beiden Flüchtlingslagern Hauzenberg und Breitenberg befinden sich nach letzten Informationen weiterhin 16 Flüchtlinge im selbsterklärten Hungerstreik und verweigern die Aufnahme von fester Nahrung. Sie fordern Bargeld statt Essenspaketen, das Recht in ganz Bayern reisen zu dürfen sowie Arbeitserlaubnisse. Diesen Freitag findet in Passau eine Demonstration zur Unterstützung der Flüchtlinge im Hungerstreik statt, zu der das „Passauer Bündnis für die Rechte der Flüchtlinge“ aufruft. Die Auftaktkundgebung zur Demonstration beginnt am 12.02.2010 um 15 Uhr auf dem Passauer Europaplatz gegenüber dem Hauptbahnhof.

Weiterlesen

Flüchtlinge im Hungerstreik nicht lächerlich machen!

Klarstellung zum Bericht in der Süddeutschen Zeitung „Hungerstreik light“ und dem Kommentar „Inflation des Hungerstreiks“

Die Karawane München stellt klar: Wir haben die Flüchtlinge in Hauzenberg und Breitenberg nicht zum Hungerstreik aufgerufen. In der Karawane arbeiten Flüchtlinge, MigrantInnen und Deutsche gleichberechtigt zusammen, eines unserer Ziele ist es, gezielt die Selbstorganisation von Flüchtlingen zu bestärken und ihren Forderungen in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Deswegen unterstützen wir den Hungerstreik durch Pressearbeit.

Die Flüchtlinge wissen sehr genau, was sie wollen – ihnen etwas „einzureden“, wie es die Politik und die SZ unterstellen, wäre nicht möglich. Schon gar nicht eine Aktion wie den Hungerstreik, mit dem sie ihren eigenen Körper zur Waffe im Kampf um menschenwürdige Lebensbedingungen machen.

Weiterlesen

Tag 10.2: Repression für Anfänger

Es soll ja unglaubliche Zufälle geben. So kam heute die Polizei ins Lager nach Breitenberg und nahm zwei Flüchtlinge, die sich am Streik beteiligen, zum Verhör auf die Polizeiwache mit. Während dem einen eröffnet wurde, es ginge um ein Verfahren wegen Residenzpflichtverletzung (eine Einschränkung, gegen die sich der Streik mit richtet), wurde der andere erstmal wegen seiner Beteiligung an dem Streik in die Mangel genommen. Weiter wurde ihm anscheinend eine Sachbeschädigung vorgeworfen, denn eine Wand im Flüchtlingslager wurde mit Yoghurt verunreinigt. Das wurde ihm zur Last gelegt, da ein Yoghurtbecher mit seinen Fingerabdrücken (sic!) gefunden wurde.

Dies ist natürlich ein unglaublich durchsichtiger Versuch, Druck auf die Streikenden auszuüben. Fraglich ist nur, ob die Beamten auf Eigeninitiative gehandelt haben (die Haltung vieler bayerischer Polizeibeamten gegenüber Flüchtlingen ist ja bekannt) oder ob da von oben die Anweisung kam, mal ein bisschen die Repression hochzufahren.

Klar ist auf jeden Fall dass die Streikenden sich von solch dilettantischen Demonstrationen der Staatsmacht nicht einschüchtern lassen und mit ihrem Kampf für ihre Rechte fortfahren.

Tag 10: Aufruf zur Ausweitung der Streiks

Aufruf der hungerstreikenden Flüchtlinge aus Hauzenberg an die Lager in Bayern

Mit dieser Botschaft wollen wir die Lager (Asylunterkünfte) in Bayern informieren und auffordern, die Essenspakete zu boykottieren und den Hungerstreik zu erklären, denn wir wollen so behandelt werden wie andere Asylsuchende in anderen Städten und Bundesländern in Deutschland (zum Beispiel in Duisburg und Dortmund…).

  1. Wir wollen Bewegungsfreiheit in ganz Bayern
  2. Wir wollen das Recht auf Arbeit
  3. Wir wollen keine Pakete mehr. Wir wollen Bargeld, damit alle das kaufen können, was sie wollen. Denn die 40 Euro sind einigen unserer Bedürfnisse nicht angemessen

Die Flüchtlinge im Hungerstreik aus Hauzenberg / Landkreis Passau

Hier noch das französische Original und eine englische Übersetzung

Weiterlesen

Streikupdate Tag 9

Flüchtlingshungerstreik geht weiter – Regierung von Niederbayern versucht zu beschwichtigen, doch konkrete Zusagen bleiben aus – Flüchtlinge wollen Streik ausweiten

Am heutigen Mittwoch hat Heinz Grunwald, Regierungspräsident von Niederbayern, mit einem Besuch in Hauzenberg auf den Flüchtlingsstreik reagiert. Aus Protest gegen die schlechten Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Bayern sind 19 Bewohner der beiden Flüchtlingslager in Hauzenberg und Breitenberg in Niederbayern (Lkr. Passau) seit Dienstag vergangener Woche (26.01.2010) in einen unbefristeten Hungerstreik getreten.

Anders als die Regierung von Niederbayern in ihrer Pressemitteilung vom heutigen Tag verkündet, kann jedoch keine Rede davon sein, dass zentrale Forderungen der Hungerstreikenden erfüllt würden. Zugesagt hat die Bezirksregierung lediglich, mit der Passauer Arbeitsagentur die Dauer der Genehmigungsverfahren für eine Arbeitserlaubnis zu prüfen und sich gegenüber den niederbayerischen Landräten für eine einheitliche Praxis bei den Gebühren für Reisegenehmigungen einzusetzen.

Der Aufforderung von Grunwald, den Hungerstreik zu beenden, haben die Flüchtlinge deshalb eine Absage erteilt. „Wir wollen uns in ganz Bayern frei bewegen. Wir können keine Pakete mehr akzeptieren, sondern wollen Bargeld. Und wir wollen das Recht haben, zu arbeiten. So lange diese Forderungen nicht erfüllt werden, denken wir nicht daran, mit dem Streik aufzuhören“, erklärt Kabamba Ban Ibanda aus Hauzenberg. „Wir halten es nicht mehr aus, hier auf dem Dorf isoliert zu sein. Das Lager ist kein Ort zum Leben für Menschen. Man sagt uns, wir sollen wieder essen und die Pakete annehmen, aber an unseren Problemen hat sich noch nichts verändert. Wir machen weiter“, ergänzt einer der hungerstreikenden jungen Männer aus Breitenberg.

Statt mit dem Streik aufzuhören, versuchen die Hungerstreikenden, ihren Kampf auf andere Lager in Bayern auszuweiten. „Wir haben überall in Bayern ähnliche Probleme, der Zustand ist für uns alle eine psychische Qual, darum erwarten wir, dass sich schon bald Flüchtlinge in anderen Lagern uns anschließen. Die Regierung und das Parlament müssen endlich auf unsere Forderungen reagieren, damit wir menschenwürdig leben können“, so die Streikenden in Hauzenberg.

Hungerstreik in Hauzenberg und Breitenberg

Rund 20 Flüchtlinge in den beiden Flüchtlingslagern Hauzenberg und Breitenberg im Landkreis Passau, Niederbayern, befanden sich vom 26. Januar bis 15. Februar im Hungerstreik. Die zentralen Forderungen der streikenden Flüchtlinge sind:

  1. Recht auf Arbeit
  2. Bewegungsfreiheit innerhalb Bayerns statt Landkreisbeschränkung auf Landkreis Passau
  3. Bargeld statt Essenspaketen

AKTUELL: Hungerstreik wird in Essenspaketeboykott überführt
MITMACHEN: Jetzt die Unterstützungserklärung unterzeichnen! (Schon 442 ZeichnerInnen [15. Februar 2009])

Streikupdates: Tag 21 | Demobericht | Tag 16 | Tag 10.1 | Tag 10.2 | Tag 9 | Tag 8.1 | Tag 8.2 | Tag 7
Pressemitteilungen: 15.2.2010 | 10.2.2010 | 3.2.2010 | 1.2.2010
Berichte: Karawanedelegation mit Videostatements
twitter: @karawane089

Streikupdate Tag 8/2

Einiges hat sich getan am 2. Februar, der Hungerstreik der Flüchtlinge in Hauzenberg und Breitenberg gegen menschenunwürdige Lebensbedingungen weitet sich aus und gewinnt rasant an Aufmerksamkeit. Gleichzeitig gibt die körperliche Verfassung von manchen Hungerstreikenden Grund zur Besorgnis. Die wichtigsten Infos des Tages:

Weiterlesen